Schatten Blut
Knall?
Egal! Ich ging aus der Küche ins Bad und drehte die Dusche auf.
– Kapitel Sechs –
N ervös betätigte ich den Türklopfer. Wieso hatte Mrs. Morningdale keine Türklingel wie normale Leute? Und was waren das für merkwürdige Zeichen, die sich etwas heller auf ihrem Türrahmen abzeichneten?
Zögernd streckte ich meinen Finger aus, berührte eines der Zeichen am Rahmen rechts neben mir, und zuckte zusammen. Aua! Es war, als hätte mir jemand die Hand flambiert! Um den Schmerz zu vertreiben, schüttelte ich die Hand aus und starrte verwundert das Zeichen an, das nun sogar etwas zu leuchten schien. Hatte ich schon wieder Halluzinationen?
Da öffnete Ernestine die Tür und sah mich mit leichtem Tadel an. »Kindchen, du kommst zu spät. Schon vor 15 Minuten hättest du hier sein sollen.«
»Ich habe mir die Finger verbrannt.« brachte ich anstatt einer Entschuldigung empört hervor.
Ihr Blick fiel auf meine Hand und mit einem leichten Lächeln nickte sie. »Nun, das kommt vor, wenn man sie in Dinge steckt, aus denen sie besser fernbleiben sollten. Und jetzt steh nicht herum wie eine Salzsäule, sondern komm rein.«
Ihre Worte hatten fast etwas Zwingendes an sich, denn obwohl ich eigentlich nicht wollte, betrat ich ihr Appartement.
Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber ihre Einrichtung entsprach so gar nicht der Vorstellung von etwas Mystischem, Unheimlichem. Im Flur befand sich eine normale Garderobe, an der eine dunkelrote Jacke hing. Als ich das Wohnzimmer betrat, fand ich eine hellbraune, bequem aussehende Couchgarnitur mit passendem Tisch vor. Kleine weiße Häkeldeckchen lagen auf den Arm und Rückenlehnen, bestickte Kissen auf den Sitzflächen. Eine schwere Eichenschrankwand füllte die andere Seite des Raumes aus, weiße Gardinen mit Häkelbordüre hingen am Fenster, ein Alpenveilchen blühte rosarot darunter. Das große Bild eines einsamen Hirsches hing über der Couch, ansonsten waren die Wände frei.
»Setz dich bitte, ich hole den Tee«, überließ Ernestine mir die Wahl der Sitzgelegenheit und verschwand. Ich wählte den Sessel.
»Nun gut«, meinte Ernestine und kam mit einem Tablett in den Händen zurück. Sie stellte es auf dem Tisch ab, nahm zwei dünnwandige Tassen, ein Kännchen mit Milch und eine Thermoskanne herunter. »Du hast demnach die Runen an meiner Tür gesehen. Interessant.«
»Runen.« echote ich verwirrt und war noch immer am Grübeln, warum sie schon wieder neben mir stand, wo sie doch vor drei Sekunden erst den Raum verlassen hatte.
»Sicher doch. Kennst du keine Runen?« Sie wirkte erstaunt. Und während sie mich weiter fragend ansah, goss sie uns den Tee ein und kippte Milch hinzu. Mit der gleichen Sicherheit ergriff sie eine Tasse und reichte sie mir.
»Habe davon gehört«, wich ich aus und nahm einen Schluck Tee. Er schmeckte bitter und ich schüttelte mich leicht.
Ernestine lachte leise und ließ sich mir gegenüber auf dem Sofa nieder. Nachdem sie ihr langes, weißes Kleid entsprechend sortiert hatte, nahm sie ebenfalls einen Schluck Tee. »Er enthält ein paar Heilkräuter. Das ist gut zum Reinigen und Entschlacken. Was kannst du noch sehen? Außer den Schutzrunen an meiner Tür, meine ich.«
Ich verstand nicht, und das schien mein Blick ihr auch zu sagen. Sie seufzte und murmelte etwas wie »blutigen Anfänger geschickt«, erhob sich wieder und verließ abermals das Zimmer. Mit einem Kartenspiel in der Hand kam sie zurück und legte es vor mir auf den Tisch. Ich sah auf die Karten, dann Ernestine an und zurück auf die Karten.
»Herrje, Kind!« Sie wirkte etwas entmutigt. »Nun zieh schon eine.«
Mein Mund formte ein lautloses Oh! und hastig nahm ich die obere Karte ab. Der Turm. Fragend sah ich Ernestine an.
»Eine interessante Karte.« Sie nickte. »Sie steht für Veränderung. Etwas, das du als sichere Basis empfindest, gerät ins Wanken. Alte und zu enge Strukturen im Denken und Handeln lösen sich auf und werden durch neue ersetzt. Möglicherweise empfindest du diese Veränderung als Katastrophe, doch wenn du dich dem stellst, wirst du dich von altem Ballast befreit haben.«
Meine Augen mussten kugelrund geworden sein und meine Gesichtsfarbe so blass wie die Deckchen auf den Lehnen. Ich starrte auf die Karte und versuchte, das eben Erfahrene zu verdauen.
»Die Karten lügen niemals«, vernahm ich Ernestines Stimme wie durch einen Schleier. »Möchtest du noch eine ziehen.«
»Danke, nein«, hauchte ich fassungslos. »Das reicht mir fürs
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