Schatten Blut
bislang alles für einen Mythos gehalten. Ebenso die Beschreibung dieses Wesens namens Wraith hielt ich für eine übertriebene Darstellung des Sensemannes, der allen Kindern Angst machte. Illusionen, Täuschung und Budenzauber, wenn man genauer hinschaute. Und doch hatten mich die letzten Monate für genau diese Dinge sensibilisiert. Darin lag der eigentliche Haken. Nie zuvor hatte ich an Vampire geglaubt, und jetzt saß ich mit zweien von ihnen zusammen in einer Küche und überlegte, wie man einen dritten von ihnen retten konnte. Sicherlich gab es noch andere Dinge, die unglaubwürdig wirkten. Aber zu glauben, dass Jemand oder Etwas Dämonen beschwören können sollte, war doch ein wenig zu viel für meinen kleinen Verstand.
»Glaubt ihr nicht«, wagte ich mich daher vor, »dass solche Illusionen nicht schnell durchschaut werden.«
»Es sind keine, Faye.«
Na klar! Ich schenkte Steven einen scheelen Blick. Diese Antwort hatte ja kommen müssen.
»Er hat Recht, Liebes.« Darian sah mich betrübt an. »Licht und Dunkelheit, Gut und Böse. Das Gleichgewicht der Kräfte. Aber es muss gewahrt bleiben und darf nicht durch Spielereien geschwächt werden.«
»Du willst mir allen Ernstes weismachen, dass du mal so eben das Höllentor öffnen und einen hörnertragenden, tierfüßigen Dämon rufen kannst, der auf deinen Wunsch hin einen Stepptanz hinlegt?«
Er lächelte milde. »Theoretisch wäre das durchaus möglich, aber in der Praxis sicherlich nicht gerade sinnvoll.«
»Du verarschst mich gerade?!«
»Mitnichten, Faye. Aber darum geht es nicht. Diese Alternative steht nicht zur Debatte.« Damit blickte er sich um. »Andere Vorschläge?«
Ich lachte trocken auf. Es war unglaublich! Und trotzdem sollte ich das Gehörte glauben?
»Wenn du Beschwören kannst, warum wirfst du nicht irgendeine gemurmelte Formel auf diesen Wraith und lässt ihn verschwinden? Oder besser noch, du lässt ihn Lagat zerlegen! Das wäre doch was!«
»Faye.« Kopfschüttelnd wandte Darian sich mir wieder zu. »So geht das nicht. Das Elysium ist ein magiefreier Raum, in dem weder Illusionen noch Übergriffe erlaubt sind. Niemand darf einen anderen innerhalb dieses Raumes angreifen, verletzten oder gar töten. Es sei denn, es wurde vom Vorsitzenden, dem Prinzen höchst selbst angeordnet. Und an diese Gesetze ist jeder gebunden, der sich dorthin begibt. Das ist auch der Grand dafür, dass Thalion genau dort hingerichtet werden soll. Niemand wird es riskieren, ihn durch Manipulation, Illusionen oder sonstigen Kräften zu retten. Jeder, der dieses Gesetz überschreitet, wird vernichtet.«
Begrenzte Machverhältnisse also. Eigentlich eine geschickte Angelegenheit, wenn man bedachte, dass die Fähigkeiten der einzelnen Besucher unterschiedlich waren. Wer sich dort aufhielt, war in Sicherheit, auch wenn ihm sein ärgster Feind über den Weg lief. Allerdings beinhaltete das auch, dass Darian nichts von dem Einsetzen durfte, was an Kräften in ihm schlummerte.
»Demnach bleibt uns nur die Möglichkeit, die Thalion vorschlug«, nahm ich den Faden wieder auf. »Alles andere bringt euch nur unnötig in Gefahr. Dank der Federn kann ich zuschauen ohne selbst bemerkt zu werden, im geeigneten Moment auftauchen und gleich wieder verschwinden. Und nicht einer von euch kann dafür zur Verantwortung gezogen werden. Geschickt ausgedacht, alter Mann!« In Gedanken nickte ich Thalion zu.
»Genau das werde ich nicht zulassen!« murrte Dad und erhielt ein Nicken von Darian.
»Und genau das, Dad, interessiert mich nicht die Bohne!« Meine Kaffeetasse landete mit einem lauten Knall auf dem Tisch. »Es ist die einzige Möglichkeit! Es ist meine Entscheidung! Und die ist gefallen! Und jetzt gehe ich ins Bett. Gute Nacht!«
– Kapitel Siebenundvierzig –
I ch schlief miserabel, träumte allerhand Mist und wachte immer wieder schweißgebadet auf. Und jedes Mal ratschten mir die Erinnerungen an die Träume aus dem Gedächtnis, so als wollte ich Nebel festhalten.
Auch vermisste ich Darian neben mir, denn er blieb in dieser Nacht dem Bett fern. Allerdings machte ich mir darüber kaum Gedanken, denn der leichte Zug in meinem Unterbauch ließ mich erahnen, weshalb er Abstand zu mir hielt. Vor einigen Wochen war es das Gleiche gewesen und Darian hatte mich während der »Tage« ebenfalls gemieden. In diesem Fall war er ein Vampir durch und durch und ging dem Geruch des frischen Blutes aus dem Weg.
Zwar überlegte ich ernsthaft, ob ich aufstehen und ihn suchen
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