Schatten Blut
Meine Stimme überschlug sich fast vor Panik. Ich ahnte Schlimmes, doch spürte ich auch deutlich, dass ich es nicht wirklich wissen wollte. Zitternd stellte ich die Tasse auf den Boden und verknotete die Finger ineinander.
»Faye«, begann Darian sanft, setzte sich zu mir und legte seine Hand auf meine Hände. »Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht ändern können. Weder du noch ich, noch sonst jemand.«
»Quatsch bitte keine Opern, Darian!« Wütend schob ich seine Hand fort und sprang auf. »Ich bin kein Kind mehr, dem man Puderzucker in den Hintern blasen muss! Wenn du etwas zu sagen hast, dann raus damit!«
»Wie du wünschst, Faye.« Er stand ebenfalls auf und trat neben den Kamin. Kurz schaute er in die nicht vorhandenen Flammen, dann drehte er sich zu mir um und betrachtete mich ernst und lange.
Ängstlich knetete ich meine Hände, sie fühlten sich nass an. Und ich fürchtete mich vor dem, was er sagen konnte, nein, vermutlich sogar sagen würde. Ich ahnte, was geschehen würde und griff dem vor: »Sie wird sterben?«
»Ja.« Die geflüsterte Antwort kam von meinem Vater.
»Sie ist bereits nur noch ein Teil dessen, der sie einst war, Faye«, schaltete Darian sich ein. »Ihre Verwandlung ist zu weit fortgeschritten, als dass sie sich noch aufhalten ließe. Bald schon wird ihr Ruf nach Blut laut, sie wird Durst bekommen und sich nehmen, was in ihrer Nähe ist. Und das ohne Rücksicht auf Verluste!«
Meine Stimme war nur noch ein erstickter Hauch. »Wann?«
»Morgen, übermorgen. Vielleicht schon heute Nacht. Es hängt davon ab, wie sehr sie sich dagegen wehren kann.«
»Besteht Hoffnung?«
Diesmal schüttelten beide Männer gleichzeitig den Kopf.
Tränen der Verzweiflung rannen mir über die Wangen. Ich konnte, wollte das nicht so hinnehmen. Es musste doch eine Möglichkeit geben! Irgendeine!
»Was ist mit einer Blutwäsche? Darian, du besitzt ein komplettes Krankenhaus! Lässt sich der Vorgang so nicht aufhalten? Wir müssen doch etwas tun können! Irgendwas muss doch möglich sein!«
Mein Vater stand langsam auf und nahm mich fest in den Arm. »Es gibt keine Hoffnung, Faye. Ich habe das alles schon einmal durchgemacht. Ich weiß, dass es in diesem Stadium keine Hoffnung mehr gibt, Faye. Selbst wenn sie sich an ihre alten Familienbande erinnern sollte, so wird sich ihr Sein völlig verändern. Sie wird nie mehr das sein, was sie einmal war.«
»Das glaube ich nicht, Dad.« Ich schob ihn von mir und sah ihn fest an. »Nein, das glaube ich nicht! Darian ist selbst ein Teil dieser Wesen, oder etwa nicht? Was er kann, das können andere auch!
Und Julie wird das auch erreichen!«
»Faye! Durch die Verwandlung stirbt die Seele, der Teil, der deine Schwester ausmacht! Der Leib erleidet furchtbare Schmerzen, die inneren Organe sterben ab und bilden sich neu, angepasst an die neuen Verwendungszwecke. Das sind unendliche Schmerzen! Zusätzlich werden die vorhandenen Sinne geschärft. Riechen, Sehen, Schmecken, Tasten, Fühlen, alles wird feiner, genauer. Wie bei einem Tier. Zurück bleibt nur ein menschlich erscheinender Körper, der beherrscht wird durch die niederen Instinkte des Überlebens. Und diese sind die Jagd und das Töten!«
»Warum sagst du mir das, Darian?« schrie ich ihn an. Hätte mein Vater mich nicht festgehalten, wäre ich auf ihn losgegangen. Ich fühlte eine Wut in mir, die ein Ventil suchte. »Warum gebt ihr sie auf?«
»Weil sie bereits so gut wie tot ist, Faye«, wandte Dad traurig ein. »Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich in genau das verwandeln wird, was Darian gerade beschrieben hat. Ein menschlicher Körper mit dem Instinkt und Verhalten einer blutrünstigen Bestie.«
Ich hörte auf mich zu wehren und lehnte erschöpft meinen Kopf an Dads Schulter. »Aber Darian –«
»Meine Geschichte begann vor sehr langer Zeit auf die gleiche Weise, Faye. Nach meiner Verwandlung wurde auch ich nur vom Durst beherrscht. Einzig und allein war ich nur dem verpflichtet, der mich verwandelt hatte, anderes Leben zählte nicht. Viele Dinge sind seitdem geschehen und viel Zeit ist verstrichen. All das machte mich zu dem, der ich heute bin, den du kennengelernt hast. Faye!« Er sah mich sehr eindringlich an. »Wie viel Zeit glaubst du aufbringen zu können, um den Trieb eines blutrünstigen, jungen Vampirs zu dämpfen? Jahrhunderte? Wie viel Zeit hast du? Und wie viel Zeit bleibt einem, dem die Ewigkeit winkt?«
»Sie könnte doch lernen, dem zu widerstehen, so
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