Schatten der Angst (German Edition)
konnte, kein weiteres Opfer auf dem Gewissen hat. Ich habe mich selbst zum Narren gehalten, indem ich mir eingeredet habe, dass er nicht noch weiteren Menschen wehgetan hat.«
Er stach mit dem Zeigefinger auf die Fotografien ein. »Aber jetzt kenne ich die Wahrheit. All diese Frauen sind auf brutale Weise gequält und vergewaltigt worden …« Seine Stimme brach, und er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Dann ließ er sich zurück auf seinen Schreibtischstuhl fallen. »Ich muss ihn aufhalten. Ich kann nicht zulassen, dass durch meine Schuld noch mehr Menschen sterben, verstehen Sie das nicht?«
»Abgesehen davon, dass ich Ihnen nicht zustimmen kann – was hat das alles mit Amanda zu tun? Sie sollten jetzt bei ihr sein, sich um sie kümmern …«
Logan schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch. »Haben Sie den Ausdruck in ihren Augen nicht gesehen? Sie kennt nun die Wahrheit. Wenn ich nicht gewesen wäre, dann hätte der Mörder sie nicht entführt. Es ist meine Schuld, dass sie dieses Martyrium erleiden musste.« Er riss einen Zettel von dem gelben Notizblock, auf den er sich zuvor etwas notiert hatte.
Pierce schüttelte den Kopf. »Fürs Protokoll, ich bin davon überzeugt, dass Sie absolut falsch liegen. Sie lassen persönliche Gefühle Ihr Urteilsvermögen trüben.«
»Ich denke in diesem Moment klarer als je zuvor. Jetzt endlich weiß ich ganz genau, was zu tun ist.«
»Dann sagen Sie mir wenigstens, was Sie da gerade geschrieben haben. Ich kann dieses Gekritzel nicht lesen.« Pierce legte den Kopf schräg und versuchte, die Notizen auf dem Block zu lesen. »Das sieht nach einer Adresse aus.«
Logan gab ihm den Zettel. »Es ist eine Adresse. Anna Northwood ist dreißig Minuten entfernt von hier aufgewachsen, in einer ländlichen Gegend namens Summerville. Die Polizei hielt es damals nicht für nötig, die Ermittlungen bis dorthin auszuweiten, immerhin war sie zum Zeitpunkt ihres Todes dreiundzwanzig Jahre alt.«
»Sie hatten keinen Grund anzunehmen, dass der Mörder jemand aus ihrer Vergangenheit sein könnte«, sagte Pierce.
»Anna Northwoods Haare waren kurz geschnitten, als sie ermordet wurde. Aber ich wette, dass sie langes Haar hatte, als sie jünger war, und ihr Weg den des Mörders kreuzte. Wir sollten nach Summerville fahren.«
»Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass Sie mich zu dem sicheren Haus bringen, Karen?« Amanda umklammerte die Armlehnen des Beifahrersitzes und versuchte, die aufsteigende Panik zurückzudrängen. »Ich dachte, Pierce würde mich hinfahren. Und wo ist Logan?«
Sie holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Als sie diese grauenhafte Musik gehört hatte, war sie in Panik geraten und nach oben gerannt, um den Bildern zu entkommen, die ihr durch den Kopf wirbelten. Als sie sich schließlich beruhigt hatte, waren Pierce und Logan bereits fort gewesen. Nur wenige Minuten später hatte Karen sie in ein Zivilfahrzeug gescheucht, und jetzt fuhren sie, gefolgt von einem Streifenwagen mit zwei Polizisten darin, die Interstate 10 hinunter.
»Logan wird Ihnen später alles erklären«, versicherte ihr Karen. »Er sagte, dass er eine wichtige Spur verfolgen müsse, und Pierce bestand darauf, ihn zu begleiten.« Sie warf Amanda einen Blick zu. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind fast da. Sobald wir das Motel erreicht haben, fahren die Polizisten weiter, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Und im Motelzimmer wartet schon ein FBI-Agent auf Sie.«
Sorgen? War sie besorgt? Ja, aber nicht wegen des sicheren Hauses. Sie machte sich Sorgen um Logan. Er hatte so fürchterlich unglücklich ausgesehen, als sie aus dem Zimmer gerannt war. Sie hätte nicht weglaufen sollen; und sie hätte es auch nicht getan, wäre der Schreck nicht so groß gewesen, dass sie nicht imstande gewesen war, stehen zu bleiben und sich vor Augen zu rufen, was ihre Flucht bei ihm auslösen musste.
Sie konnte sich denken, wie das für ihn ausgesehen hatte: als ob sie ihm die Schuld dafür geben würde, dass er den Mörder damals nicht erwischt hatte; denselben Mann, der sie Jahre später überfallen sollte. Seit mehr als zehn Jahren verfolgten ihn Schuldgefühle wegen seines Anfängerfehlers. Wie schmerzlich musste es für ihn sein, festzustellen, dass der Mörder, der ihm entkommen war, derselbe Mann war, der sie später überfallen hatte und der jetzt erneut hinter ihr her war.
Sie musste ihm sagen, dass sie ihm nicht die Schuld gab. Denn das tat sie nicht, nicht eine Sekunde lang. Er
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