Schatten Der Erinnerung
an ihrer Heirat geben. Vielleicht würde die halbe Wahrheit sie doch noch retten. »Ich hatte geglaubt, er machte sich etwas aus mir. Aber das war falsch. Er hat mich nur geheiratet, um sein kostbares Zuhause zu retten. Nur wegen meines Geldes hat er mich geheiratet nicht aus Liebe. Und nun hat er mich verlassen, Tante Storm!«
Jetzt wurde Storm genauso wütend wie ihr Mann.
Am nächsten Nachmittag um zwei Uhr hatte Regina ihre Papiere.
Brett und Storm hatten sich entschlossen, ihr zu helfen. Dass Slade sie nur wegen ihres Geldes geheiratet hatte, um Miramar zu retten, brachte sie ebenso in Rage wie Regina. Bewusst hatte sie die Tatsache, dass sie sich über Slades Absichten völlig im klaren gewesen war, nicht erwähnt, ebenso wenig, wie sehr sie in Slade >vernarrt< gewesen war - sie zog es vor, ihre einstigen Gefühle für ihn so zu bezeichnen. Dennoch war bei ihren Verwandten ein Hauch von Skepsis geblieben. Beide wussten wie sie, dass eine so überstürzte Heirat - noch dazu ohne die Zustimmung ihres Vaters überhaupt nicht zu ihr passte.
Ihre Verwandten wollten auch nicht dass sie sich selbst um Rechtsanwälte bemühte. Sie wussten nur zu gut, wie leicht sie das Opfer einer Erpressung werden konnte. Wenn schon eine Scheidung nötig war, dann gedachte Brett sie ohne Aufhebens durchzuziehen. Es würde keinen Skandal um seine Nichte geben. Dennoch begeisterte ihn der Gedanke nicht gerade, dass sie sich von Slade gleichermaßen überstürzt scheiden lassen wollte, wie sie ihn geheiratet hatte. Er versuchte, sie zu überreden, das Eintreffen ihres Vaters in San Francisco abzuwarten, bevor sie einen so folgenschweren Schritt unternähme. Das würde aber noch zehn bis vierzehn Tage dauern, und Regina wollte nicht einmal davon hören.
Sie hatte ihren Onkel auch gebeten, sich nicht einzumischen. Sie kannte beide Männer nur zu gut. Brett neigte zum Jähzorn, und jetzt war er auch noch aufgebracht. Nur zu gut konnte sie sich vorstellen, dass er Slade schwere Vorwürfe machen würde. In die Enge getrieben, würde Slade nicht nachgeben und stur bleiben. Sie befürchtete sogar, er und Brett könnten handgreiflich werden, denn Slades Temperament war noch hitziger als das ihres Onkels.
Regina gelang es nicht, sich zu entspannen. Wie versprochen, saß Edward an ihrer Seite in einer Kutsche aus dem Stall ihres Onkels. Laut Edward war das Feldcrest Building neu, ein zehnstöckiges Gebäude aus Granit und Kalkstein an der Ecke Van Ness Avenue und Eddy Street. Sie waren schon längst in die Van Ness eingebogen, eine wichtige Durchgangsstraße in Richtung Süden. Eine Kabelbahn vor ihnen zwang sie, langsamer zu fahren. Ein Pferdeomnibus überholte sie, dann eine Bierkutsche und ein Milchwagen. Es gelang ihnen, sich durch den dichten Verkehr zu schlängeln und die elektrische Kabelbahn zu überholen. Regina sah ein Automobil mit einem Quartett junger, grinsender Gentlemen darin, aber sie lächelte nicht zurück. Automobile wurden immer populärer, obwohl sie maßlos teuer waren. Dieses da sah dem Duryea ihrer Kusine Lucy sehr ähnlich.
Die meisten Gebäude in der Straße waren nicht über drei Stockwerke hoch, hatten Geschäfte im Erdgeschoss und Wohnungen darüber. Aber vor ihnen auf der linken Seite konnte sie ein hohes Bürohaus sehen. Sie war sicher, dass das ihr Ziel war. Und tatsächlich lenkte der Fahrer an der nächsten Kreuzung ihre Kutsche nach links.
Ihr Puls hämmerte. Obwohl es ein angenehm milder Tag war, schwitzte sie. Die ganze Zeit über sah sie Slades dunkles Gesicht vor sich mit seinem typisch unergründlichen oder zornigen Ausdruck. Sie umklammerte ihr Täschchen und einen großen braunen Umschlag mit ihren behandschuhten Händen. In dem Umschlag waren die Unterlagen, die Slade unterschreiben sollte.
Sie stiegen aus und betraten das Gebäude schnell, durchquerten ein weitläufiges Foyer mit Marmorfußboden und blieben vor dem Aufzug stehen. Regina merkte, dass sie außer Atem war. Und das kam nicht von dem kurzen Gang durch das Foyer.
»Der halbe zehnte Stock ist für Manns Personal bestimmt«, berichtete Edward, während sie im Lift nach oben fuhren.
Regina konnte nicht antworten. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
Als die Aufzugtüren aufgingen, nahm Edward sie am Arm und führte sie den Gang entlang. Vielleicht hatte er das Gefühl, dass sie seine Unterstützung gerade jetzt nötiger hatte als je zuvor, was ja auch stimmte. Die Aussicht, ihren abtrünnigen Ehemann zu sehen, machte sie nervös. Edward
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