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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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gemacht hatte, war er nach der
zehnten Klasse abgegangen.
    »Was soll ich in der Schule, die
können mir eh nichts mehr beibringen und dir sollte es eigentlich auch so gehen.«
Das war seine Erklärung, ein einziges Rätsel.
    Er war nach Leipzig gezogen und hatte
eine Ausbildung gemacht. Und dann stand die Entscheidung an, wo ich mein
Studium absolvieren sollte. Sicherlich hatte das Wissen darum, dass er in
Leipzig war, meinen Entschluss in entscheidendem Maße geprägt. Eigentlich war
es kein richtiger Entschluss gewesen, sondern vielmehr eine
Selbstverständlichkeit.
    Nachdem auch ich in Leipzig wohnte,
hatten sich unsere Wege wieder intensiver gekreuzt und alles war beinah so wie
früher. Er wusste genau, wie gut ich singen konnte, und so kam eines zum
anderen. Er fragte mich, ob ich nicht seine Band verstärken könnte und wie
hätte ich ihm diese Bitte auch ausschlagen können.
    Heute, zwei Jahre später, wusste ich
nicht einmal mehr, wo er inzwischen lebte. Vielleicht hatte auch er eine
Familie gegründet. Aber ich hatte keine Wahl, durch bloße Grübelei würde ich es
nicht herausbekommen.
    Ich griff nach meinem Handy und suchte
nach seiner Nummer. Ob sie überhaupt noch aktuell war? Egal, es war die einzige
Kontaktmöglichkeit, die mir blieb. Ein Versuch war es wert, alles Weitere
konnte ich mir später überlegen.
    Ein lautes Freizeichen ertönte.
Zumindest war die Nummer noch vergeben. Vielleicht hatte ich ja Glück und sie
gehörte immer noch dem Richtigen. Als ich schon auflegen wollte, ertönte eine
Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Hallo, hier ist Michael.«
    »Hi, ähm ich bin‘s Emili…« Weiter kam
ich nicht, da fuhr mir die Bandansage ins Wort.
    »Ich bin im Moment, wie du merkst,
nicht erreichbar. Versuch es einfach später nochmal. Bis dann.«
    Noch ehe sich das Piepen der
Anrufaufnahme melden konnte, legte ich auf. Ich wollte ihm nicht einfach auf
die Box sprechen, nicht nachdem das so mit uns geendet hatte.
    Aber ein warmes Gefühl breitete sich
in mir aus, als ich an seine Stimme dachte. Ich hatte noch seine richtige
Nummer. Es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis wir wieder Kontakt
zueinander aufbauen würden. Doch wollte er das überhaupt? Nach dem
Hochzeitsvorfall hatte ich mehrfach versucht, mich bei ihm zu melden. Egal was
geschehen war, ich wollte nicht, dass es so endet. Dafür hatten wir zu viel
miteinander geteilt. Doch auch damals ging immer nur die Box ran. Dabei war ich
mir ziemlich sicher, dass er mich am anderen Ende gehört hatte. Aber er wollte
nicht rangehen, wollte nicht mit mir sprechen. Und so hatte ich es irgendwann
aufgegeben.
    Er hatte Robert gehasst, und er hatte
es gehasst, dass ich mich für ihn entschieden hatte. Vielleicht war die damals
immer offene Tür inzwischen fest verschlossen. Vielleicht gab es keinen Weg
mehr zurück in diese Zeit. Ich hoffte sehr, dass dem nicht so war. Ich brauchte
endlich wieder etwas Vertrautes an meiner Seite. Ich brauchte endlich wieder
das Gefühl zu leben.
    * * *
    Im Büro herrschte hektisches Treiben
und es war fast so, als wäre ich nie fort gewesen. In meinem Postfach sammelte
sich eine Invasion an ungelesenen Emails und es hatte mich einige Stunden
gekostet, auf dem neusten Stand der Dinge zu sein. Offenbar hatte man meinem
Vorschlag aus der Vorstandssitzung Folge geleistet und die gesamte Kosten- und
Preiskalkulation überarbeitet. Die ersten Erfolge ließen sich bereits messen.
Innerhalb einer Woche waren die Neuabschlüsse um zehn Prozent gestiegen.
    Aber auch dieser Triumph hatte einen
bitteren Beigeschmack. Herr Kunz hatte meine Abwesenheit erfolgreich ausgenutzt
und die Lorbeeren für sich eingestrichen. Jedem der es hören wollte und auch
denen, die es nicht wollten, strich er aufs Brot, dass es sein Einfall gewesen
sei. Was hatte ich auch anderes erwartet? Es war im Grunde auch egal. Es hatte
funktioniert, das war die Hauptsache und die versammelte Führungsriege wusste,
dass es mein Einfall gewesen war.
    War ich wirklich nur eine Woche weg gewesen?
Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.
    Das Telefon klingelte und riss mich
aus meinen Gedanken. Eine interne Nummer blinkte auch dem Display auf – die
Nummer von Alexander. Ich konnte inzwischen gar nicht mehr nachvollziehen, wann
wir das letzte Mal richtig miteinander gesprochen hatten und bei dem Gedanken
daran, dies jetzt zu tun, breitete sich ein flaues Gefühl in meinem Magen aus. Fast
andächtig legte ich meine Hand auf den Telefonhörer, atmete ein Mal tief

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