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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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wohl für jemanden sein,
der dies alles allein durchstehen musste? Wer hatte Johann oder Richard dies
alles beigebracht?
    Wir waren zu jener Zeit an einem
rauchenden Bus angelangt und es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis
Richard die Aktion für beendet erklärte. Das Fahrzeug war von der Fahrbahn
abgekommen und lag rücklings in einem Graben. Die Schreie der kleinen Opfer
brannten sich in mein Gehör – es war ein Schulbus gewesen. Es hatte nicht den
Einwand von Richard benötigt, damit wir uns von unserem eigentlichen Vorhaben
abwandten. Doch nur weil wir nichts taten, hieß das nicht, dass auch
andere solche Gewissensbisse hatten. Im Gegenteil. Wir waren die Ausnahme und
sie die Regel. Diejenigen, für die jeder Auftrag wie der andere war, bei denen
es keinen Unterschied zwischen Alter, Geschlecht oder Schicksal gab. Der Name
stand auf der Liste und in diesem Moment war der Mensch dahinter nichts weiter
als eine Mahlzeit.
    Es war unsere Aufgabe – unser Job.
Das wussten wir alle. Doch es gab Grenzen, Bedingungen, zu denen niemand
arbeiten sollte und kleine Kinder gehörten definitiv dazu. Das war zumindest
unsere Ansicht, anderen war dies hingegen scheinbar egal.
    Wir gelangten an eine alte Brauerei.
Vor den Eingängen standen bereits eine Schar von Menschen – keiner schien älter
als dreißig Jahre zu sein. An allen Ecken hustete es und sie versuchten sich
gegenseitig zu stützen. Sie hatten es geschafft, ihre Namen waren getilgt.
    Das Schild an der Häuserwand offenbarte,
dass es sich um eine Diskothek handeln musste und die lodernden Schatten an den
bereits zum Teil geborstenen Fensterscheiben verrieten, dass sich im Inneren
eine Feuerlawine ihren Weg bahnte.
    Von der Feuerwehr war nichts zu
sehen. Aber das war auch kein Wunder. Als wir aufgebrochen waren, war dies hier
alles noch gar nicht geschehen. Da gab es nur das niedergeschriebene Schicksal,
das verkündete, dass die Leben von manch Anwesendem heute für immer erlöschen
würden. Und je fester die Geschichte geschrieben stand, desto dunkler wurde die
Tinte.
    Es begann immer mit einem schwachen
grauen Schimmer, für ungeübte Augen fast unsichtbar und selbst für die
versierten, waren die ersten Anzeichen kaum zu erkennen. Immer dann, wenn ein
Weg beschritten, eine Entscheidung getroffen wurde, deren Auswirkungen nur eine
Konsequenz haben konnten, tauchten die Namen auf, unabhängig davon, wie lange
es noch dauern möge – Minuten, Stunden, Tage, Wochen.
    Ich suchte den Blickkontakt meiner
Begleiter und erntete ein leichtes Nicken. Jeder von ihnen ging ins Innere und
ich folgte ihrem Beispiel. Die Liste fest umklammerte bahnte ich mir einen Weg
durch die bereits am Eingang angelangten Flammen. Ich spürte die Hitze auf
meiner Haut nicht. Dieses Element konnte mir nichts mehr anhaben.
    Von dem einstigen Glanz, den dieses Etablissement
einmal gehabt haben musste, war nichts mehr zu sehen. Überall kroch das Feuer unerbittlich
vorwärts und verzehrte die Einrichtung. Und nicht nur diese.
    Ich schloss die Augen und
konzentrierte mich auf meine Aufgabe einen von ihnen aufzuspüren. Ich durfte
mich nicht von meinen anderen Sinnen in die Irre führen lassen. Langsam ließ
ich meinen Blick – meinen anderen Blick – durch den Raum schweifen.
    Und da sah ich es. Ein helles Glühen,
das immer weiter zu einem gleißenden Licht anschwoll. Die Zeit war gekommen,
das Leben ging, der Tod kam und jemand würde sterben.
    Ich wand mich nach rechts und folgte
dem verheißungsvollen Licht in eine dunkle Nische. Noch bevor ich sie
tatsächlich sah, hatten meine neuen Sinne sie bereits erfasst. Ein Licht, dass dem
menschlichen Auge verborgen blieb und das den nahenden Tod ankündigte.
    Nach einigen Kurven und Abzweigungen
sah ich sie schließlich, eine zusammengesunkene Gestalt in der hinteren Ecke
eines kleinen abseitsgelegenen Raumes. Offenbar handelte es sich um eine Frau.
Sie lag mit dem Rücken zu mir und ihr Minirock war bereits leicht angeschmort, so
dass er kaum noch ihren Po bedeckte.
    Es trieb mir die gesamte Luft aus den
Lungen. Ich hatte zwar noch nie den Anblick eines Brandopfers erlebt, doch das
war es nicht, was mein Herz erstarren ließ. Um den Kopf der jungen Frau lag ein
Meer aus blonden Locken, das ebenfalls bereits angefangen hatte, an den Spitzen
zu glimmen. Ich kannte diese Haare – ich kannte jede einzelne Strähne.
    Meine Beine setzten sich wie von selbst
in Bewegung und einen Augenblick später kniete ich neben ihr. Mein Körper
zitterte

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