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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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am ganzen Leib, durchfuhr mich wie ein Sturm und meine Gedanken rasten
von einer Vorstellung zur Nächsten.
    Das durfte nicht geschehen!
    Das durfte nicht wahr sein!
    Das war sie nicht!
    Das war unmöglich!
    Das war nicht sie!
    Niemals wäre sie in solch einen Laden
gegangen!
    Nicht hier!
    Nicht jetzt!
    Ich versuchte den Rand meines Mantels
weit über meine zittrigen Hände zu stülpen. Um nichts in der Welt durfte ich
sie berühren!
    Vorsichtig ergriff ich ihre Schulter
und versuchte ihren Körper zu mir zu drehen. Doch statt Erlösung bei dem
Anblick eines fremden Gesichtes zu empfinden, sah ich nur in eine verbrannte
Fratze. Eine verschmolzene Masse, in der nicht einmal mehr auszumachen war, wo
die Augen aufhörten und wo die Nase begann.
    Eine Woge von geschmortem Fleisch
wehte mir in die Nase und nur knapp konnte ich den Brechreiz unterdrücken, der
mich überkam.
    Das durfte nicht wahr sein! Das war
nicht sie! Nicht sie!!!
    Ich brauchte Antworten! Ich brauchte
Hilfe! Ich brauchte Gewissheit!
    Das Leuchten wurde währenddessen
immer stärker – so oder so, sie würde sterben. Jeder normale Mensch hätte
gedacht, dass sie angesichts ihrer Verletzungen bereits tot sein müsste, aber
ihr Brustkorb hob und senkte sich noch immer. Stockend, aber er tat es.
    Mit zittrigen Händen holte ich die
Liste hervor. Das alte Pergament wand sich knirschend durch meine Finger. Immer
wieder überflog ich die geschrieben Namen, einen nach dem anderen, rauf und
runter. Es gab nur drei Frauennamen auf der Liste – und keiner war der ihre.
    Ihrer war nicht dabei.
    Ich spürte wie sich der Druck um
meine Brust löste. Sie stand nicht darauf. Sie war keiner von ihnen. Sie war
nicht in Gefahr. Sie war am Leben!
    Die junge Frau vor mir, wer immer sie
auch sein mochte, sie war es nicht. Es war nicht Emilia.
    Wie eine gleißende Flamme glühte sie
nun in der Dunkelheit. Es war an der Zeit, an ihrer Zeit zu sterben. Und es war
meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass sie es tat.
    Ich schob den Mantelsaum nach oben, so
dass meine Hand nun völlig blank war. Die Hand – meine Haut, die ihr Leben
auslöschen würde, die den Tod bringt. Ich hasste diesen Moment, auch wenn ich
wusste, dass sich das Anschließende nicht vermeiden ließ. Sie würde sterben.
Entweder durch mich oder durch jemand anderen. Es war vorbei.
    Ich legte meine Hand auf ihre
Fußfessel, an dessen Ende ein roter Pump steckte und augenblicklich spürte ich,
wie ihre Energie durch meinen Körper strömte – und ihr Leben.
    Wir brauchten nichts zu essen, wir brauchten
nichts zu trinken – das alles war mehr Genuss als Notwendigkeit. Aber das hier
war das , was wir wirklich brauchten – was ich wirklich
brauchte. Erst jetzt, in dem Moment, in dem ich es bekam, spürte ich, wie ausgehungert
ich war. Eine Woche lang hatte ich niemanden geholt, hatte mich meinem
Schicksal widersetzt.
    Meine Hand hielt sie fest
umschlungen. Ich wollte mehr, ich wollte alles, ich brauchte es. Ich hielt sie
so lange fest, bis all ihr Lebenssaft auf mich übergegangen war. Sie war
erloschen, da war nichts mehr als tiefste Schwärze. Ihr Licht, ihr Leben, war ausgelöscht
und ich war gestärkt.
    Mühelos richtete ich mich auf und
streifte die Handschuhe über. Nichts war mehr von der Schwäche übrig geblieben,
die mich noch vor wenigen Stunden befallen hatte. Ich pulsierte vor Kraft und
Leben. Vor fremder Kraft, vor fremdem Leben.
    Das war es, was ich war. Ein Bote des
Todes, ein Todesengel, ein Schatten, ein Monster. Dazu verdammt, von dem Leben
der anderen zu zehren und dafür den Tod zu bringen. Das war mein Schicksal und dazu
war ich verdammt.
    Jede Berührung, jeder Kontakt, jede
noch so zarte Hauch – es brachte die Verdammnis, den Tod, unwiderruflich und
endgültig. Nie wieder würde ich Emilia berühren können, ohne sie dabei zu
töten. Ich war eine Gefahr, eine Kreatur jenseits des Guten.
    Mit wenigen Bewegungen gelangte ich
zu den anderen in die Haupthalle. Auch sie strotzten vor Energie. Auch sie
hatten ein Leben genommen und eine Quelle für sich beansprucht.
    Es war an der Zeit zu gehen. Ich
hasste es, auf andere wie uns zu stoßen. Andere, für die es keine Grenze gab,
die sich unersättlich auf alles stürzten, dass auch nur den Anschein eines
potentiellen Opfers in sich barg. Andere, die nicht einmal davor zurück
schreckten, ein kleines Kind im Schlaf zu holen – es stand ja schließlich auf
der Liste.
    So sehr wir auch Monster, Todesboten,
Schatten waren, wir nahmen nur so viel

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