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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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und dann erzählst du mir, was passiert ist.« Er stand auf,
verließ den Raum und ich trocknete die letzten Tränen.
    Ich war zu dem Mann in meinem Leben
zurückgekehrt, der dazu verdammt war zu vergessen. Doch er hatte nicht
vergessen, er erinnerte sich an Robert. Er hatte sich einfach so an ihn
erinnert. Kein Wort über Robert war bis zu diesem Zeitpunkt über meine Lippen
gekommen. Und doch konnte mein Vater sich an ihn erinnern.
    Vielleicht hatte ich mir die letzten Begegnungen
mit Robert, seine Stimme in meinem Kopf, nur eingebildet, aber er war einmal da
gewesen. Er hatte existiert und sosehr er sich auch bemühte, mich Lügen zu
strafen, in dem der Gravuren oder Urkunden verschwinden ließ, mein Vater hatte
sich an ihn erinnert – es hatte einmal ein Leben mit Robert gegeben.
    Als mein Vater nach einer viertel
Stunde immer noch nicht zurückgekehrt war, machte ich mir langsam Sorgen. Ich
wollte gerade aufstehen, um nach ihm zu sehen, als die Tür aufgestoßen wurde.
Und er war nicht allein. Die Frau, der ich am Fahrstuhl begegnet war, hatte ihn
untergehakt und führte ihn ins Zimmer.
    Vorsichtig ließ sie ihn ins Bett
gleiten und keine Sekunde später war er eingeschlafen.
    »Was ist passiert?«, fragte ich sie
leise erschüttert, damit ich ihn nicht weckte.
    »Kommen Sie, wir sollten das draußen
besprechen«, sagte sie. Ich küsste meinen Vater zum Abschluss auf die Stirn und
verließ mit ihr den Raum.
    »Ich weiß ja nicht, was sie mit ihm
gemacht haben, aber so aufgeregt habe ich ihn noch nie erlebt«, erklärte sie,
als wir gemeinsam im Flur standen. »Er hat getobt, gegen Türen geschlagen und
wütend geflucht. Immer wieder hat er gerufen ›dieser verdammte Mistkerl‹ und ›wie
kann er es nur wagen‹. Wir mussten ihm eine Beruhigungsspritze setzen. Er
braucht jetzt erst mal Ruhe.«
    »Ich verstehe«, entgegnete ich. »Entschuldigen
Sie die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen bereitet habe. Das lag nicht in
meiner Absicht.«
    »Machen Sie sich darüber keine
Gedanken. Die Demenz ist schon so weit fortgeschritten, dass er sich
wahrscheinlich, wenn er aufwacht, nicht mehr an Ihren Besuch erinnern wird.«
    Ich verabschiedete mich und verließ
die Klinik.
    Er hatte sich an ihn erinnert und ich
wusste, warum er so aufgebracht gewesen war. Die Alzheimer-Krankheit war
durchgebrochen, als er mich in Sicherheit wusste – in Sicherheit bei Robert, in
dem er meinen Beschützer gesehen hatte, der er schon bald nicht mehr sein
würde.
    Und nun war ich allein, Robert hatte
mich einsam und unbeschützt zurückgelassen und mein Vater wusste genau, dass er
nicht dazu in der Lage war, diese Rolle an meiner Seite zu übernehmen, nicht
mehr.

Kapitel 26
     
    Februar – vor zwei Jahren
     
    Mein Kopf dröhnte, als hätte jemand
mit einem Vorschlaghammer darauf Schlagzeug gespielt. Meine Nase war verstopft,
inzwischen schon sichtbar angeschwollen und ich konnte nur noch durch den Mund
atmen. Mein Hals kratzte und selbst das Atmen tat weh. Ich fühlte mich dem Tode
nahe. Und ich wusste nicht einmal mehr genau, wie ich den Weg nach Hause
gefunden hatte.
    Ich schlüpfte aus meinem Mantel, ließ
ihn einfach auf dem Boden fallen und wankte ins Wohnzimmer.
    Mit runzelnder Stirn kam mir Robert
entgegen und ich lehnte mich erschöpft an ihn. Das Gefühl, einen ganzen
Marathon und nicht nur meinen Arbeitsweg bewältigt zu haben, steckte mir in den
Knochen.
    »Du siehst ja erbärmlich aus. Komm,
leg dich erst mal hin!«, sagte Robert, während er mich vorsichtig zu meiner
erlösenden Couch brachte.
    »Die haben mich einfach nach Hause
geschickt«, schimpfte ich, dabei war mein Frust darüber inzwischen verpufft.
Wahrscheinlich durch das Fieber, dass meinen Körper in einen Hochofen
verwandelt hatte.
    »Da hatten sie ja auch nicht ganz Unrecht.
Hast du heute schon einmal in den Spiegel geschaut?«
    »Nein«, trötete ich in mein
Taschentuch.
    »Das ist wahrscheinlich auch besser
so. Du siehst aus wie der Tod auf Latschen und selbst unsere weiße
Raufasertapete wirkt im Vergleich zu dir geradezu rosig.«
    »Wie charmant du wieder bist«,
seufzte ich und ließ mich halb ohnmächtig auf mein Sofa sinken.
    »Du glühst ja förmlich«, sprach
Robert, als er mir die Haare aus dem Gesicht strich und sanft meine Stirn
streichelte. »Ich hol dir jetzt erst mal eine Tablette und einen Tee. Irgendwelche
speziellen Wünsche?«
    »Alles außer Pfefferminze und keine
Drogen!«, rief ich ihm hinterher. Ich konnte den Geruch von Minze

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