Schatten der Liebe
und betont beiläufig, »erinnerst du dich an den Abend vor acht Jahren, als meine Scheidung von Marilyn endgültig feststand?«
Matt überraschte diese Frage, aber er erinnerte sich sehr gut daran. Einige Monate, nachdem Tom angefangen hatte, für ihn zu arbeiten, erklärte Toms Frau plötzlich, daß sie einen Geliebten habe und sich scheiden lassen wolle. Zu stolz, sie zum Bleiben zu bitten, und zu verstört, um sie zurückzugewinnen, hatte Tom seine Sachen gepackt und war ausgezogen, aber er hatte bis zuletzt gehofft, daß sie sich die Sache mit der Scheidung nochmals überlegen würde. An dem Tag, als die Sache dann endgültig war, war Tom weder zur Arbeit gekommen, noch verstand Matt auch warum - Tom rief ihn vom Polizeirevier aus an, wohin man ihn schon gegen Mittag wegen völliger Trunkenheit gebracht hatte.
»Ich weiß noch, daß wir uns zusammen besoffen haben«, gestand Matt.
»Ich war schon besoffen«, korrigierte Tom trocken. »Dann hast du mich aus dem Knast geholt, und wir haben zusammen weitergetrunken.« Während er fortfuhr, beobachtete er Matt genau. »Ich erinnere mich dunkel daran, daß du großen Anteil an meinem Elend genommen und daß du mir von einer Dame namens Meredith erzählt hast, die dir den Laufpaß gegeben hat oder so. Nur hast du sie damals nicht Dame genannte, sondern ein verwöhntes kleines Biest. Und kurz bevor ich endgültig weggesackt bin, haben wir beide einstimmig festgestellt, daß Frauen, deren Vornamen mit einem M anfangen, nichts als Ärger bringen.«
»Dein Gedächtnis ist offenbar besser als meines«, sagte Matt ausweichend, aber Tom hatte bemerkt, daß Matt bei der bloßen Erwähnung des Namens Meredith leicht zusammengezuckt war. Er zog den richtigen Schluß.
»Also«, fuhr er grinsend fort, »da wir hiermit festgestellt haben, daß jene Meredith tatsächlich Meredith Bancroft ist, würdest du mir jetzt vielleicht erzählen, was damals passiert ist und warum ihr euch noch immer so abgrundtief haßt?«
»Nein«, sagte Matt resolut. Er stand auf und ging zum Couchtisch hinüber, auf dem die Pläne für den Haskell-Neubau in Southville ausgebreitet lagen. »Wir sollten endlich die Planung für Southville abschließen.
18
Der Verkehr staute sich mehrere Blocks rund um Bancroft's. In den Straßen drängten sich die Kauflustigen, die sich trotz der bitteren Kälte und des eisigen Windes, der über den Lake Michigan und bis hinein in die Chicagoer Innenstadt fegte, in einen frühzeitigen Vorweihnachtsrummel gestürzt hatten. Eng in warme Mäntel gehüllt und die Köpfte gegen den Sturm gebeugt, kämpften sie sich ohne Rücksicht auf rote Ampeln durch den Verkehr. Hupen dröhnten, und die Autofahrer schimpften auf die Fußgänger, wegen denen sie die grünen Ampelphasen nicht nutzen konnten. Meredith saß in ihrem schwarzen BMW und sah zu, wie Menschentrauben vor den Schaufenstern von Bancroft's kurz verweilten und dann das Kaufhaus betraten. Das Wetter hatte sich plötzlich verschlechtert, und das brachte immer viele Käufer, die schon jetzt ihre Weihnachtsbesorgungen erledigen wollten. Heute jedoch weilten ihre Gedanken nicht bei den Kunden.
In zwanzig Minuten würde sie dem Vorstand ihr Konzept für die Filiale in Houston unterbreiten, und obwohl die Geschäftsleitung dem Projekt bereits zögernd zugestimmt hatte, benötigte sie für ihr weiteres Vorgehen und einen endgültigen Geschäftsabschluß die formelle Billigung. Um diese ging es heute vormittag.
Und sie schien Glück zu haben. Kein Mitglied des Vorstands brachte entscheidende Einwände vor. Nach einer Stunde beendete sie ihre Ausführungen. »Da wir die Details des Houstoner Projekts bereits in früheren Sitzungen ausführlich besprochen haben, möchte ich jetzt zum Schluß kommen. Zu betonen wäre noch, daß Bancroft's nur durch Expansion die Chance haben wird, mit den anderen führenden Warenhausketten in Konkurrenz zu treten. Ich bin sicher, daß ich keinen von Ihnen extra darauf hinweisen muß, daß jedes einzeln unserer neu eröffneten Häuser mehr Profit abwirft als ursprünglich veranschlagt. Und ich bin überzeugt, daß dieser Erfolg zum größten Teil auf die Sorgfalt zurückzuführen ist, mit der wir die Standorte ausgewählt haben.«
»Die Sorgfalt, mit der du die Standorte ausgewählt hast«, korrigierte ihr Vater, aber er blickte dabei so streng, daß es einen Moment dauerte, bis Meredith merkte, daß er ihr widerwillig ein Kompliment gemacht hatte. Es war nicht das erstemal, daß er sie
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