Schatten der Liebe
hämmern begann. Immerhin war sein Fieber gesunken. Während er ein Glas Wasser vom Nachttisch nahm und Tabletten schluckte, überlegte er, ob er aufstehen, duschen und sich anziehen sollte. Aber er fühlte sich so schwach und erschöpft, daß er beschloß, noch eine Stunde liegenzubleiben und erst dann das Bett zu verlassen. Auf einem der Tablettenröhrchen stand: VORSICHT. VERURSACHT MÜDIGKEIT; vermutlich waren die Tabletten an seinem schweren Kopf schuld. Er legte sich wieder zurück in die Kissen und schloß die Augen, doch eine seltsame Erinnerung spukte in seinem Hirn herum und hinderte ihn daran, wieder einzuschlafen. Meredith. Hatte er wirklich diesen bizarren Traum gehabt, daß sie durch den Schneesturm gekommen war und ihm die Treppe herauf ins Bett geholfen hatte? Unverständlich war ihm nur, wie sein Unterbewußtsein ihm ein so abstruses Bild vorgaukeln konnte. Meredith würde ihn bestimmt liebend gern eine Treppe hinunter, von einer Brücke oder in den Bankrott stürzen, aber etwas weniger Destruktives anzunehmen war einfach lächerlich.
Er war gerade wieder am Einnicken, als er Schritte auf der alten Holztreppe hörte. Erschrocken fuhr er hoch, setzte sich auf, fiel aber, von der plötzlichen Bewegung schwindelig, gleich wieder in die Kissen zurück. Jemand klopfte an die Tür. »Matt?« rief eine sanfte Stimme, eine wunderbare, musikalische, vertraute Stimme.
Merediths Stimme.
Er erstarrte, fixierte irritiert die weiße Wand vor sich und wußte einen verrückten Moment lang überhaupt nicht mehr, was eigentlich geschah.
»Matt, ich komme jetzt rein!« Die Türklinke bewegte sich, und die Realität traf ihn mit voller Wucht - es war kein bizarrer Traum gewesen. Meredith war hier.
Mit der Schulter die Tür aufstoßen, trat Meredith rückwärts ins Zimmer. Sie bewegte sich bewußt langsam, um ihm Zeit zu geben, wieder unter die Decke zu schlüpfen, falls er aufgestanden war und nichts anhatte. Nachdem er am vorigen Abend so überraschend vernünftig reagiert hatte, wiegte sie sich in trügerischer Sicherheit und ließ vor Schreck fast das Tablett fallen, als eine ärgerliche Stimme sie anfuhr: »Was machst denn du hier?«
»Ich bringe dir ein Tablett«, erklärte sie, drehte sich zu im um und ging auf das Bett zu. Sein wütender Gesichtsausdruck überraschte sie. Aber dieser Ausdruck war nichts im Vergleich mit der drohenden Miene, die er einen Augenblick später aufsetzte, als sein Blick auf den Gummibeutel fiel.
»Was in drei Teufels Namen«, explodierte er, »hast du denn damit vor?«
Entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen, hob Meredith das Kinn und erwiderte ruhig: »Das ist für deinen Kopf.«
»Ist das deine Art, einen schmutzigen Witz zu machen?« fragte er gehässig und blickte sie mordgierig an.
Völlig aus der Fassung geraten, stellte Meredith das Tablett neben ihn auf das Bett und sagte beruhigend: »Ich habe für dich Eis ...«
»Das paßt zu dir«, spuckte er ihr entgegen und fuhr dann drohend fort: »Du hast genau fünf Sekunden, um dieses Zimmer zu verlassen, und wenn du nicht binnen einer Minute aus dem Haus bist, werfe ich dich eigenhändig hinaus.« Er lehnte sich vor, und Meredith erkannte, daß er vorhatte, die Decke zurückzuschlagen und das Tablett vom Bett zu fegen.
»Nein!« rief sie, und in ihrer Stimme lag ebensoviel Flehen wie Protest. »Es hat keinen Sinn, mich wegzujagen, weil ich nicht fort kann. Ich habe meine Autoschlüssel im Schnee verloren, und außerdem habe ich dir noch einiges zu sagen.«
»Kein Interesse«, sagte Matt wutentbrannt und schob die Decke weg. Er war wütend auf sich selbst, weil ihn Schwindel und Müdigkeit davon abhielten, rascher zu handeln.
»Gestern abend warst du nicht so widerborstig«, argumentierte sie verzweifelt und nahm rasch das Tablett vom Bett, bevor er es auf den Boden kippen konnte. »Ich hätte nicht gedacht, daß du so wütend wirst, nur weil ich einen Eisbeutel für deinen Kopf gemacht habe!«
Er hielt inne, seine Hand am oberen Ende der Zudecke erstarrte, und ein Ausdruck absoluter Ungläubigkeit überzog sein Gesicht. »Du hast was?« stotterte er mit einem halberstickten Flüstern.
»Ich habe es dir doch gerade gesagt. Ich habe einen Eisbeutel für deinen Kopf ...«
Meredith brach erschrocken ab, als er plötzlich die Hände vors Gesicht schlug und rückwärts in die Kissen fiel. Sein ganzer Körper bebte, und gedämpfte Laute kamen hinter seinen Händen hervor. Er zitterte und bebte so heftig, daß die
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