Schatten der Liebe
Sie bückte sich danach, dachte dann aber daran, daß sie einen Ersatzschlüssel in der Handtasche hatte, und sah keinen Grund, jetzt lange danach zu suchen. Nicht jetzt, wo die wichtigste Konfrontation ihres Lebens vor ihr lag.
Das Außenlicht beleuchtete den Hof, und Matt stand unter der Tür und starrte ungläubig auf die Szene, die sich vor seinen Augen abspielte: Soeben war eine Frau aus ihrem Auto gestiegen, eine Frau, die Meredith unglaublich ähnlich sah, und dann hatte sie sich gebückt und war verschwunden. Sie tauchte wieder auf und stapfte durch das Schneegestöber um das Auto herum. Matt griff nach dem Türstock, um sich daran festzuhalten, weil Schwäche und Schwindel sich erneut seiner bemächtigten. Er starrte sie an, halbwegs überzeugt, daß er unter fieberhaften Wahnvorstellungen litt. Als die Frau sich dann aber auf eine schmerzlich vertraute Weise das Haar aus der Stirn strich, fühlte er ein Stechen tief in seiner Brust.
Sie kam auf ihn zu und sah ihm ins Gesicht. »Hallo, Matt.«
Matt entschied, daß er tatsächlich unter Halluzinationen litt. Oder er träumte. Vielleicht lag er auch sterbend oben in seinem Bett? Er wußte nicht, was der Fall war, aber er merkte, daß der Schüttelfrost, der ihn schon im Haus gequält hatte, immer häufiger kam. Die Erscheinung vor ihm lächelte -ein süßes, vorsichtiges Lächeln. »Darf ich hereinkommen?« fragte sie. Sie sah aus und sprach wie ein engelhafte Version von Meredith.
Ein eisiger Windstoß trieb ihm Schneeflocken ins Gesicht und riß ihn aus seiner Erstarrung. Das war keine himmlische Erscheinung, das war Meredith, und diese Entdeckung sandte einen heißen Adrenalinstoß durch seine Adern. Zu schwach und krank, um sie zu ihrem Auto zurückzuschicken, trat er ins Haus zurück und kehrte ihr den Rücken zu. Wenn sie wollte, konnte sie ihm folgen. Dankbar dafür, daß der Schock, sie hier zu sehen, ihm wieder etwas Kraft gab, betrat er den dunklen Wohnraum. »Du mußt den Spürsinn eines Bluthundes und die Zähigkeit eines Bulldozers haben, um mich bis hierher zu verfolgen«, sage er, während er das Licht anknipste. Seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren heiser und ungewohnt.
Meredith war auf Schlimmeres vorbereitet gewesen, auf einen wesentlich unfreundlicheren Empfang. »Ich habe einen hilfreichen Tip bekommen«, sagte sie voll Wehmut, unterdrückte den Drang, sein abgespanntes Gesicht in ihre Hände zu nehmen und ihm etwas Liebevolles zu sagen, zog statt dessen ihren Mantel aus und wollte ihn ihm in die Hand drücken.
»Der Butler hat heute Ausgang«, sagte er bissig und ignorierte den Mantel. »Häng ihn selber auf.« Statt der erwarteten scharfen Antwort drehte sie sich um und legte den Mantel über einen Stuhl. Seine Augen wurden schmal vor Haß und Verwirrung, da er ihr sanftmütiges Schweigen mit seiner letzten Begegnung verglich. »Also?« schnappte er. »Schieß los. Was willst du?«
Zu seiner Überraschung lachte sie - ein seltsames, atemloses Lachen. »Ich glaube, ich will einen Drink. Ja, ich will einen Drink.«
»Der Champagner ist alle«, informierte er sie. »Du kannst Scotch oder Wodka haben. Was anderes gibt's nicht.«
»Wodka bitte«, sagte sie ruhig.
Matts Knie waren wie aus Watte, als er in die Küche ging, etwas Wodka in ein Glas schüttete und wieder ins Wohnzimmer zurückkam. Sie nahm das Glas, das er ihr ungeduldig hinhielt, und blickte sich um. »Es - es ist irgendwie komisch, dich nach all den Jahren hier wieder zu sehen ...«, begann sie stockend.
»Warum? Hier komme ich gern her - und hier gehöre ich deiner Ansicht nach ja auch immer noch hin. Ich bin doch bloß ein dreckiger Stahlarbeiter, du erinnerst dich?«
Zu Matts größter Verwunderung lief sie puterrot an und fing an, sich zu entschuldigen. »Es tut mir wirklich leid, daß ich so etwas auch nur gedacht habe ...«
»Was zum Teufel willst du?« explodierte Matt, aber im gleichen Augenblick war ihn ein stechender Schmerz in seinem Kopf fast zu Boden. Der Raum begann sich zu drehen, und er stützte sich mit der Hand an der Wand ab, um nicht hinzufallen.
»Was hast du?« rief Meredith. »Bist du krank?«
Matt hatte plötzlich das Gefühl, daß er jeden Moment wie ein hilfloses Baby vor ihr zusammensacken würde. »Verschwinde, Meredith.« Sein Kopf dröhnte, und Übelkeit stieg in ihm hoch, als er sich umdrehte und in Richtung Treppe ging. »Ich muß ins Bett.«
»Du bist krank«, stieß sie hervor und lief auf ihn zu, während er sich am
Weitere Kostenlose Bücher