Schatten der Liebe
hinterhältiges Biest!« zischte er sie an. »Du hast gesagt, du würdest ihn soweit kriegen, daß er sie adoptiert, und du hast es geschafft.«
»Ich habe dich vor Jahren gewarnt, daß es so kommen würde. Und ich warne dich jetzt. Wir sind noch lange nicht quitt«, fügte sie hinzu, und ihr Lächeln vertiefte sich angesichts der zunehmenden Wut Philips. »Vergiß das nicht, Philip. Vergiß nie, daß ich mit dir noch abrechnen werde. Ich werde dafür sorgen, daß du nachts nicht mehr schlafen kannst vor Angst, was ich dir als nächstes antun werde, daß du nicht mehr schlafen kannst vor Sorge, genau so, wie du mich vor achtzehn Jahren nächtelang hast wach liegen lassen.«
Philip biß die Zähne aufeinander, um dem Gesagten durch eine entsprechende Antwort nicht noch mehr Gewicht zu geben. Meredith riß ihren Blick von den beiden los und betrachtete Charlottes Söhne. Jasons Gesicht ähnelte stark dem seiner Mutter - triumphierend und bösartig. Joel blickte nachdenklich auf seine Schuhe. Joel ist weich, hatte Merediths Vater vor Jahren einmal gesagt. Charlotte und Jason sind wie ein Paar blutrünstige Piranhas, aber wenigstens weißt du, was du von ihnen zu erwarten hast. Der Jüngere, Joel, hat irgend etwas Seltsames an sich. Bei seinem Anblick kriege ich eine Gänsehaut.
Als ob er Merediths Blick gespürt hätte, blickte Joel auf. Seine Miene verriet keine Regung. In Merediths Augen hatte er nichts Seltsames oder gar Furchteinflößendes an sich. Ganz im Gegenteil. Als sie ihn bei der Hochzeit das letzte Mal gesehen hatte, war er ausgesprochen nett zu ihr gewesen. Damals hatte er Meredith fast leid getan, weil seine Mutter ganz klar Jason bevorzugte und weil Jason, der zwei Jahre älter war, für seinen Bruder offensichtlich nichts als Verachtung übrig hatte.
Plötzlich schien es Meredith, als könne sie die feindliche Atmosphäre des Raumes nicht eine Sekunde länger ertragen. »Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte sie zu dem Anwalt, der damit beschäftigt war, eine Menge Papiere auf dem Schreibtisch auszubreiten, »ich warte draußen.«
»Sie müssen diese Papiere unterschreiben, Miss Bancroft.«
»Ich werde sie unterschreiben bevor Sie gehen; nachdem mein Vater sie gelesen hat.«
Meredith beschloß, einen Moment ins Freie zu flüchten. Es wurde schon dunkel, und sie ging langsam die Stufen hinunter. Die Abendbrise kühlte ihre erhitzten Wangen. Hinter ihr öffnete sich die Tür, und sie drehte sich um, da sie dachte, der Anwalt rufe sie zurück. Aber es war Joel, der bei ihrem Anblick ebenso erschrocken innehielt wie sie. Er zögerte, so als ob er gerne bliebe, aber nicht wisse, ob er erwünscht sei.
Es war Teil ihrer Erziehung gewesen, daß man zu Gästen stets und unter allen Umständen höflich zu sein hatte, und so versuchte Meredith, ihn anzulächeln. »Es ist angenehm hier draußen, nicht?«
Joel nickte und nahm ihre unausgesprochene Einladung an, sie ein Stück zu begleiten. Er war dreiundzwanzig, ein ganzes Stück kleiner als sein älterer Bruder und auch längst nicht so attraktiv wie Jason. Schüchtern betrachtete er sie und sagte dann etwas hilflos: »Du hast dich verändert.«
»Das kann ich mir vorstellen. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, war ich elf Jahre alt.«
»Nach dem, was da drinnen passiert ist, wirst du dir weiß Gott wünschen, daß wir uns nie begegnet wären.«
Noch immer etwas benommen von dem Schock der Testamentseröffnung und unfähig abzuschätzen, wie sich all das auf ihre Zukunft auswirken würde, zuckte Meredith nur die Schultern. »Vielleicht denke ich morgen so. Im Moment fühle ich mich einfach nur - erschöpft.«
»Ich möchte, daß du weißt ...«, sagte er unsicher, »daß ich nichts dazu getan habe, deinem Vater die Zuneigung oder das Geld deines Großvaters wegzunehmen.«
Unfähig, ihn weder dafür zu hassen, noch ihm zu vergeben, daß ihr Vater um sein rechtmäßiges Erbe betrogen worden war, seufzte Meredith nur und blickte versonnen in den Himmel. »Was hat deine Mutter damit gemeint - daß sie mit meinem Vater noch abrechnen wird?«
»Ich weiß nur, daß sie sich gehaßt haben, solange ich zurückdenken kann- Ich habe auch keine Ahnung, was der Grund dafür ist, aber ich weiß, daß meine Mutter nicht aufhören wird, bevor sie ihre Rache gestillt hat.«
»Gott, wie furchtbar!«
»Lady«, antwortete er, und seine Stimme klang erschreckend ernst, »es hat gerade erst angefangen.«
Bei dieser düsteren Prophezeiung lief es Meredith eiskalt
Weitere Kostenlose Bücher