Schatten der Liebe
phantastisch! Weißt du, was mein Ururgroßvater gemacht hat?«
»Nein, was?« fragte Meredith, die von Julies Enthusiasmus schon so angesteckt war, daß sie ganz vergaß, Matt anzuschauen, um zu sehen, wie er darauf reagiert hatte.
»Er ist aus Irland eingewandert und hat eine Pferde-Ranch aufgebaut«, erzählte Julie, während sie aufstand und anfing, den Tisch abzuräumen.
Meredith lächelte und stand ebenfalls auf, um ihr zu helfen. »Meiner hat Pferde gestohlen!« Hinter ihr nahmen die beiden Männer ihre Kaffeetassen und gingen damit ins Wohnzimmer.
»War er wirklich ein Pferdedieb?« fragte Julie und goß warmes Wasser in das Spülbecken. »Bist du sicher?«
»Absolut«, beteuerte Meredith und wandte alle Kraft auf, um sich nicht umzudrehen und Matt nachzublicken.
Einige Minuten lang betätigten sie sich schweigend, dann sagte Julie: »Dad hat die nächsten paar Tage Nachtschicht. Ich übernachte bei einer Freundin. Wir müssen lernen. Ich bin aber morgen früh zurück und mache Frühstück.«
Abgelenkt durch Julies Bemerkung über das Lernen, überhörte Meredith die Tatsache, daß sie heute nacht offensichtlich mit Matt allein sein würde. »Lernen? Jetzt sind doch Sommerferien.«
»Ich mache in den Ferien extra Kurse. Auf die Art kann ich im Dezember den High School-Abschluß machen - zwei Tage vor meinem siebzehnten Geburtstag.«
»Das ist aber jung.«
»Matt war sechzehn, als er die High School abgeschlossen hat.«
»Oh«, sagte Meredith und dachte über die Qualität dieses ländlichen Schulsystems nach, das seine Schüler nach so kurzer Zeit entließ. »Was hast du danach vor?«
»Aufs College gehen. Als Hauptfach will ich irgendwas Naturwissenschaftliches studieren. Wahrscheinlich Biologie.«
»Wirklich?«
Julie nickte und sagte stolz: »Ich habe ein Stipendium. Matt ist bis jetzt hier geblieben, weil er sichergehen wollte, daß ich allein zurechtkomme. Es war insofern nicht schlimm, weil er auf die Art sein Diplom machen konnte, solange er darauf gewartet hat, daß ich erwachsen wurde. Allerdings mußte er sowieso in Edmunton bleiben und arbeiten, um die Arzt- und Krankenhausrechnungen unserer Mutter zu bezahlen.«
Meredith fuhr herum und schaute sie mit offenem Mund an: »Matt konnte auf die Art sein was machen?«
»Sein Diplom in Betriebswirtschaft. Das ist der Universitätsabschluß«, erklärte sie, als sie Merediths verstörten Gesichtsausdruck bemerkte. »Matt hatte zwei Hauptfächer -Wirtschaft und Finanzmanagement. Wir sind recht strebsam in unserer Familie.« Sie brach ab, weil Meredith so schockiert schaute. Zögernd sagte sie: »Du weißt so gut wie gar nichts über Matt, oder?«
Nur wie er küßt und liebt, dachte Meredith beschämt. »Nicht viel«, gab sie kleinlaut zu.
»Denk dir nichts dabei. Die meisten Leute finden es schwierig, Matt besser kennenzulernen, und ihr zwei kennt euch ja schließlich erst zwei Tage.« Das klang so erbärmlich, daß Meredith sie nicht anschauen konnte. Sie wandte sich ab, nahm einen Topf und fing an, daran herumzuwischen.
»Meredith«, sagte Julie besorgt, »das ist doch nichts, wofür du dich schämen mußt - ich meine, ich finde es wirklich nicht schlimm, daß du schwanger bist.« Meredith ließ den Topf fallen, und er rollte über den Linoleumboden unter die Spüle. »Wirklich nicht!« sagte Julie, bückte sich und hob ihn auf.
»Hat Matt dir gesagt, daß ich schwanger bin?« brachte Meredith schließlich heraus. »Oder hast du das selbst herausgefunden?«
»Matt hat es Dad unter vier Augen erzählt, und ich habe gelauscht. Obwohl ich es mir eigentlich schon vorher gedacht hatte.«
»Großartig!« sagte Meredith und wäre wieder am liebsten im Erdboden versunken.
»Ich war direkt erleichtert«, sagte Julie. »Ich meine, bevor Matt Dad alles über dich erzählt hat, hatte ich manchmal schon das Gefühl, daß ich die einzige lebende Jungfrau über sechzehn bin!«
Meredith schloß die Augen. »Ich kann mir vorstellen, was er alles über mich erzählt hat«, sagte sie bitter.
»Matt hat gar nichts weiter über dich erzählt! Er hat meinen Dad lediglich darüber aufgeklärt, daß du nicht die Art von Mädchen bist, für die er dich wohl gehalten hat.« Meredith fühlte sich augenblicklich besser, und als Julie das sah, gab sie dem Gespräch eine etwas andere Richtung: »Achtunddreißig der zweihundert Mädchen in meiner diesjährigen High School-Klasse sind schwanger. Ich mußte mir«, sagte sie etwas enttäuscht, »darüber
Weitere Kostenlose Bücher