Schatten der Liebe
nochmal genau, bei mir schlafen sollte.« Matt hatte vorgehabt, es wie eine Einladung, nicht wie eine Feststellung klingen zu lassen, und erschrak jetzt selbst über seinen barschen Ton. Auf ihrem Gesicht wechselte mehrfach der Ausdruck - Verlegenheit, Unsicherheit, Zweifel, Unruhe -, und dann schenkte sie ihm ein kleines Lächeln und sagte in entschiedenem Ton: »Gute Nacht.«
Matt sah ihr zu, wie sie Julies Zimmer betrat und die Tür hinter sich schloß; er blieb eine ganze Weile so stehen. Wenn er ihr jetzt nachginge, das wußte er, würden seine zärtlichen Bemühungen, sie in sein Bett zu bekommen, sicherlich Erfolg haben. Aber aus einem unerfindlichen Grund tat er es nicht. Nicht so. Er drehte sich um und ging in sein Zimmer, ließ aber die Tür offen, weil er nach wie vor davon überzeugt war, daß sie bei ihm sein wollte und daß sie zu ihm kommen würde, wenn sie sich fürs Bett fertig gemacht hatte.
In einer Schlafanzughose, nach der er lange in diversen Schubladen hatte suchen müssen, stand er am Fenster und blickte auf den mondbeschienenen Hof hinunter. Er hörte, wie Meredith nach dem Duschen das Bad verließ und erstarrte, während er ihren Schritten lauschte. Sie entfernten sich in Richtung auf Julies Zimmer, und dann fiel eine Tür ins Schloß. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, stellte er mit einer Mischung aus Enttäuschung, Ärger und Überraschung fest. Doch hatte keines dieser drei Gefühle etwas mit der Nichterfüllung sexueller Lust zu tun; sie gingen vielmehr wesentlich tiefer. Er hatte auf ein Zeichen von ihr gehofft, daß sie zu einer wirklichen Beziehung mit ihm bereit war. So sehr er darauf gewartet hatte, so wenig wollte er sie aber beeinflussen. Es war ihre Entscheidung, und sie mußte sie allein und freiwillig treffen.
Er wandte sich vom Fenster ab, seufzte leise und kam zu dem Schluß, daß er wahrscheinlich viel zu viel von einer Achtzehnjährigen erwartete. Das Problem war, daß es ihm schwerfiel, nicht zu vergessen, wie jung Meredith eigentlich war. Er schlug die Decke zurück, legte sich ins Bett, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte nach oben. Heute abend hatte sie ihm von Lisa Pontini erzählt und wie die beiden sich angefreundet hatten. Und er hatte aus ihren Erzählungen geschlossen, daß sie sich nicht nur in Country Clubs und herrschaftlichen Villen, sondern auch bei der Familie Pontini zu Hause fühlte. Affektiertheit und Intriganz waren ihr gänzlich fremd, dachte Matt, und doch hatte sie eine gewisse Vornehmheit, eine natürliche Eleganz, die ihn genauso faszinierte wie ihr wunderschönes Gesicht und ihr bezauberndes Lächeln.
Erschöpfung überfiel ihn, und er schloß die Augen. Unglücklicherweise schien keine dieser Eigenschaften dazu angetan, ihr die Idee, mit ihm nach Südamerika zu gehen, geschweige denn den Aufenthalt dort, annehmbarer zu machen - außer sie empfand etwas für ihn. Aber das tat sie offensichtlich nicht, denn sonst wäre sie jetzt hier bei ihm. Der Gedanke, eine verwöhnte Achtzehnjährige, die sichtlich keine Veranlassung sah, ihn zwei Zimmer weiter aufzusuchen, davon zu überzeugen, mit ihm nach Südamerika zu kommen, war nicht nur abwegig, er war geradezu lächerlich.
Mit gesenktem Kopf stand Meredith neben Julies Bett, hin und her gerissen zwischen Sehnsüchten und Bedenken, die sie scheinbar weder kontrollieren noch vorhersehen konnte. Vor weniger als einer Stunde hatte sie nicht bei Matt schlafen wollen, und jetzt sehnte sie sich nach ihm. Der gesunde Menschenverstand warnte sie, daß ihre Zukunft schon jetzt mehr als ungewiß war, und daß sie, wenn sie jetzt ihrer wachsenden Zuneigung zu ihm nachgab, alles noch viel schlimmer machen würde. Er war sechsundzwanzig, also viel älter und vor allem in jeder Hinsicht sehr viel erfahrener als sie. Außerdem führte er ein Leben, das ihr völlig fremd war. Vor sechs Wochen, als er einen Smoking trug und sie sich in vertrauter Umgebung aufhielt, hatte er fast wie die anderen Männer gewirkt, die sie kannte. Hier jedoch, in Jeans und offenem Hemd, zeigte er eine Art von Rauhbeinigkeit, die sie gleichzeitig faszinierte und ängstigte. Er wollte, daß sie heute nacht bei ihm schlief, und er hatte das deutlich klargemacht. Was Frauen und Sex anging, war Matt selbstsicher genug, sich hinzustellen und ihr zu sagen, was er wollte. Nicht sie zu bitten oder zu fragen, sondern es ihr zu sagen! Er wußte genau, wo er sie berühren und wie er sie lieben mußte, damit sie völlig außer
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