Schatten der Liebe
eigenen. Es war kurz, direkt und tödlich:
SCHEIDUNG HERVORRAGENDE IDEE. JE SCHNELLER DESTO BESSER.
Meredith fand diese sieben Worte vernichtend. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß er dazu fähig war, ein solches Telegramm zu schicken - nicht, wenn er sie im Krankenhaus wußte. »Lisa«, hatte sie hysterisch geschluchzt, »er müßte mich hassen, um mir so etwas anzutun, und ich habe nichts getan, weshalb er mich hassen sollte! Er hat dieses Telegramm nicht geschickt - er hat es nicht getan! Er brächte so etwas nicht fertig!« Sie überredete Lisa, ihre schauspielerischen Fähigkeiten noch einmal einzusetzen, um bei der Telegraphengesellschaft Western Union herauszufinden, wer dieses Telegramm geschickt hatte. Widerwillig rückte ein Angestellter die gewünschte Information heraus: Das Telegramm war tatsächlich von Matt Farrell aufgegeben und von seiner Kreditkarte abgebucht worden.
An einem kalten Dezembermorgen verließ Meredith das Krankenhaus, Lisa ging links, ihr Vater rechts neben ihr. Sie hob den Kopf und betrachtete den strahlend blauen Himmel. Er sah anders aus als früher, fremd. Die ganze Welt schien ihr fremd geworden.
Auf das Drängen ihres Vaters hin schrieb sie sich zum Wintersemester an der Northwestern University ein und richtete es so ein, daß sie mit Lisa zusammenwohnen konnte. Sie tat es nur, weil die beiden darauf bestanden. Mit der Zeit jedoch erinnerte sie sich an ihre einstigen Studienpläne. Und sie erinnerte sich auch an andere Dinge - daran, wie man lächelt, und sehr viel später auch wieder daran, wie man lacht. Ihr Arzt hatte sie gewarnt, daß eine erneute Schwangerschaft für sie und das Kind ein unverantwortliches Risiko mit sich bringen würde. Der Gedanke, daß sie nie ein eigenes Kind haben könnte, hatte ungeheuer weh getan, aber irgendwie war sie auch damit fertig geworden.
Das Leben hatte ihr eine Reihe harter Schläge versetzt, aber sie hatte sie überlebt und dadurch zu einer inneren Stärke gefunden, die sie nicht geglaubt hatte, zu besitzen.
Ihr Vater beauftragte einen Anwalt, der die Scheidung abwickelte. Von Matt hörte sie nichts, aber schließlich kam sie an einen Punkt, wo sie ohne Schmerzen und Feindseligkeit an ihn denken konnte. Er hatte sie offensichtlich geheiratet, weil sie schwanger war und weil er auf Geld aus war. Als er einsehen mußte, daß ihr Vater ihr ganzes Vermögen verwaltete, hatte er schlichtweg keinen Verwendungszweck mehr für sie. Im Laufe der Zeit hörte sie auf, ihn dafür zu hassen. Ihre Gründe für eine Heirat waren auch nicht selbstlos gewesen. Sie war schwanger geworden und hatte sich davor gefürchtet, die Folgen alleine tragen zu müssen. Und obwohl sie geglaubt hatte, ihn zu lieben, hatte er ihr nie etwas vorgemacht und gesagt, daß er sie liebe - sie hatte sich selbst etwas vorgemacht, als sie glaubte, daß er es tat. Beide hatten sie einander aus falschen Gründen geheiratet, und ihre Ehe war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen.
Zwei Jahre später, kurz vor ihrem College-Abschluß, traf Meredith in Glenmoor Jonathan Sommers. Er erzählte ihr, daß Matts Zukunftspläne seinen Vater derart beeindruckt hatten, daß er mit ihm eine zeitlich begrenzte Partnerschaft eingegangen war und Matts Projekt mit zusätzlichem Eigenkapital unterstützte.
Das Projekt zahlte sich aus. Und in den folgenden elf Jahren zahlten sich noch sehr viele andere von Matt Farrells Vorhaben aus. In verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen immer öfter Artikel über ihn. Meredith sah sie, aber sie war mit ihrer eigenen Karriere beschäftigt und es interessierte sie auch nicht mehr, was er tat. Die Presse aber war dahinter her. Mit den Jahren rückte er immer wieder in den Mittelpunkt des Interesses, nicht nur seiner aufsehenerregenden geschäftlichen Erfolge, sondern auch seiner zahlreichen glamourösen Bettgefährtinnen wegen, zu denen auch diverse berühmte Filmstars zählten. Für den Durchschnittsbürger war Matt Farrell die Verkörperung des amerikanischen Traums - vom Fabrikarbeiter zum Milliardär. Für Meredith war er einfach nur ein Fremder, mit dem sie einmal intim gewesen war. Da sie niemals seinen Namen benutzt hatte und nur ihr Vater und Lisa davon wußten, daß sie miteinander verheiratet gewesen waren, brachte niemand ihn oder seine Affären mit Meredith in Verbindung.
11
November 1989
Heftiger Wind ließ weiße Schaumkronen auf den Wellen tanzen, bevor sie gegen die Klippen donnerten, auf denen, zehn
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