Schatten der Liebe
Meter über dem sonst meist einladenden Sandstrand, Barbara Walkers neben Matthew Farrell herschlenderte. Das Auge einer Filmkamera folgte dem Paar. Den imposanten Hintergrund der Szene bildete rechts Farrells palastartiges Anwesen, links der tosende Pazifik.
Der Wind, der Barbaras Haar zerzauste und Sand in das Objektiv der Kamera blies, trieb auch dicke Nebelschwaden heran. Auf einer vorher festgelegten Stelle blieb Barbara Walkers stehen, wandte dem Ozean den Rücken zu und richtete eine weitere Frage an Farrell. Die Kamera zeigte nun nur noch das Paar vor einem dunkel grauen Nebelschleier. Barbara Walkers versuchte, gegen den Sturm anzukommen und sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen. »Schnitt!« rief sie laut. Sie entschuldigte sich bei Farrell und verschwand mit der Maskenbildnerin in dem Kleinbus, der hinter den Zypressen auf der Westseite des Farrell-Anwesens geparkt war.
»Ich hasse Nebel!« verkündete der Kameramann und blickte mißmutig auf die graue Wand, die den herrlichen Blick über die Bucht von Carmel, Kalifornien, verdeckte, die er sich als Hintergrund für dieses Interview vorgestellt hatte. »Herrgott nochmal, ich hasse auch diesen schrecklichen Wind!«
Er hatte seine Klage direkt nach ganz oben gerichtet, und wie als Antwort blies ihm eine Handvoll Sand mitten ins Gesicht.
Sein Assistent kicherte. »Scheinbar ist der Herrgott Ihnen auch nicht sonderlich gewogen«, sagte er und sah zu, wie sich der erboste Kameramann den Sand aus den Augen wischte. »Wie wär's mit einem Kaffee?«
»Den hasse ich auch«, antwortete der Kameramann, aber er nahm die Tasse.
Der Assistent deutete mit dem Kopf in die Richtung des hochgewachsenen, breitschultrigen Mannes, der auf das Meer hinaus sah. »Warum bitten Sie nicht Farrell, daß er das Wetter ändert? Nach allem, was ich gehört habe, nimmt selbst Gott von Farrell Anweisungen entgegen.«
»Wenn Sie mich fragen«, wandte Alice Champion ein, die zu den beiden getreten war und auch an einem Kaffee nippte, »Matthew Farrell ist Gott.« Die beiden Männer blickten das Scriptgirl skeptisch an, aber sie sagten nichts, und Alice wußte, daß ihr Schweigen eine eigene Art von Hochachtung vor dem Mann beinhaltete.
Über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg studierte sie Farrell, wie er am Rande der Klippen stand und auf den Ozean blickte - der einsame, unnahbare Herrscher eines Finanzimperiums namens Intercorp, eines Imperiums, das er eigenhändig aufgebaut hatte. Ein hochgewachsener, urbaner Monarch, der als Stahlarbeiter in Indiana begonnen, aber inzwischen alles abgelegt hatte, was auch nur im Entferntesten an seine Herkunft erinnerte.
Jetzt, da er dort auf den Klippen stand und darauf wartete, daß das Interview weiterging, schien er Alice die Verkörperung von Erfolg, Zuverlässigkeit und Männlichkeit. Und Macht. Mehr als alles andere strahlte Matthew Farrell Macht aus. Er war braungebrannt, weltmännisch und untadelig gekleidet, doch hatte er etwas an sich, das auch Maßanzüge und ein verbindliches Lächeln nicht verdecken konnten -eine Gefährlichkeit, eine Rücksichtslosigkeit, die jedem, der mit ihm zu tun hatte, auffiel und die bewirkte, daß niemand ihn zum Feind haben wollte.
»Mr. Farrell?« Barbara Walkers kam aus dem Bus und hielt sich mit beiden Händen das Haar aus dem Gesicht. »Dieses Wetter ist unmöglich. Wir werden drinnen weiterdrehen müssen. Der Aufbau dauert in etwa dreißig Minuten. Können wir den Wohnraum benutzen?«
»Natürlich«, sagte Matt und verbarg seinen Ärger über die Verzögerung hinter einem höflichen Lächeln. Er mochte keine Reporter. Der einzige Grund, warum er diesem Interview zugestimmt hatte, war der, daß er in letzter Zeit zu viel negative Publicity erhalten hatte - seines Privatlebens und diverser Affären wegen. Für das Image von Intercorp war es wichtig, daß der Inhaber und leitende Geschäftsführer zur Abwechslung einmal als Geschäftsmann in der Presse erschien. Für Intercorp war Matt bereit, jedes Opfer zu bringen. Als er vor neun Jahren aus Venezuela zurückgekommen war, hatte er mit seinem Bonus und dem Geld, das Sommers zusätzlich zur Verfügung gestellt hatte, eine kleine Autoersatzteilfabrik gekauft, die vor dem Bankrott stand. Ein Jahr später verkaufte er sie für das Doppelte. Mit seinem Gewinnanteil und zusätzlichen finanziellen Mitteln von Banken und privaten Investoren fuhr er fort, Betriebe aufzukaufen, denen - nicht wegen schlechten Managements, sondern weil ihnen Kapital fehlte
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