Schatten der Liebe
aufgelegt hätte.
»Hast du sonst noch was zu sagen?«
»Nicht viel.«
Nach Beendigung des Gesprächs lehnte Matt sich an die Wand neben dem Telephon und schloß die Augen. Er versuchte, den Anruf und alles, was damit in Zusammenhang stand, aus seinem Kopf zu verdrängen. Er war erst drei Monate weg, und schon wollte Meredith nicht mehr zu ihm nach Südamerika kommen. Sie hatte ihm seit Wochen nicht geschrieben, hatte offensichtlich ihr altes Leben wieder aufgenommen und log ihm dann vor, daß sie im Bett bleiben müsse. Gut, sie war erst achtzehn, das sagte er sich immer wieder. Warum sollte sie nicht ab und zu ausgehen? »Mist!« flüsterte er in hilflosem Zorn, aber nach ein paar Minuten richtete er sich entschlossen wieder auf. In einigen Wochen würde die Bohrstation einigermaßen laufen, und dann würde er darauf bestehen, vier Tage freizubekommen, damit er heimfliegen und mit ihr sprechen konnte. Meredith wollte ihn, und sie wollte auch seine Frau bleiben; egal wie selten sie schrieb oder was sie tat, tief in seinem Herzen wußte er das. Er würde heimfliegen, und wenn sie zusammen waren, würde er sie davon überzeugen können, mit ihm zurückzufahren.
Nachdem sie den Hörer auf die Gabel gelegt hatte, warf Meredith sich auf ihr Bett und weinte sich die Augen aus. Matt schien sich nicht sonderlich darum zu scheren, ob sie nun kam oder nicht. Dann aber wischte sie sich entschlossen die Tränen ab und schrieb ihm einen langen Brief, in dem sie sich dafür entschuldigte, daß sie eine so »schlechte Briefschreiberin« war. Sie entschuldigte sich dafür, daß sie die Beherrschung verloren hatte, und sie überwand ihren Stolz und schrieb, wieviel seine Briefe ihr bedeuteten. Und sie erklärte in allen Einzelheiten, was der Arzt ihr gesagt hatte.
Als sie fertig war, trug sie den Brief nach unten und gab ihn Albert, dem Butler und Chauffeur, der sich während Mrs. Ellis' erstem dreimonatigem Urlaub auch um einen Teil der Haushaltsangelegenheiten kümmerte. »Würden Sie den bitte für mich zur Post bringen, Albert?« fragte sie.
»Selbstverständlich«, antwortete er. Als sie gegangen war, nahm Albert den Brief mit in Mr. Bancrofts Arbeitszimmer, sperrte einen antiken Sekretär auf und warf den Brief zu all den anderen, die sich dort türmten. Gut die Hälfte davon trug Poststempel aus Venezuela.
Meredith stieg die Treppe hinauf in ihr Zimmer und wollte sich gerade hinlegen, als die Blutung anfing.
Sie verbrachte zwei Tage im Bancroft-Flügel des Cedar Hill-Krankenhauses, einem Anbau, der aufgrund der großzügigen Spenden nach ihrer Familie benannt war. Sie betete, daß die Blutung nicht von neuem anfangen und daß Matt wie durch ein Wunder den Entschluß fassen möge, heimzukommen. Sie wollte ihr Baby, und sie wollte ihren Ehemann, und sie hatte die furchtbare Vorahnung, daß sie dabei war, beide zu verlieren.
Als Dr. Arledge sie aus dem Krankenhaus entließ, geschah dies mit der Auflage, daß sie für den Rest ihrer Schwangerschaft liegen müsse. Sobald sie zu Hause war, schrieb sie an Matt einen Brief, der ihn nicht nur darüber informierte, daß Gefahr bestand, ihr gemeinsames Kind zu verlieren, sondern der ihn darüber hinaus auch in Angst um sie versetzen sollte. Sie war soweit, alles Erdenkliche zu tun, damit er sie nicht vergaß.
Durch die strikte Bettruhe schien die Gefahr einer Fehlgeburt gebannt, aber Meredith hatte nun mehr als genug Zeit und Muße, sich die schmerzliche Wahrheit auszumalen: Matt hatte in ihr offensichtlich eine bequeme Bettgenossin gesehen, die man nach einer Weile getrost vergessen konnte.
Sie begann darüber nachzudenken, wie sie ihr Kind alleine aufziehen könne.
Das war ein Problem, über das sie sich umsonst Gedanken machte. Gegen Ende ihres fünften Schwangerschaftsmonats bekam sie mitten in der Nacht wieder Blutungen. Diesmal vermochte keine ärztliche Kunst der Welt, das winzige Mädchen zu retten, daß Meredith nach Matts Mutter Elizabeth taufen ließ. Fast hätten die Ärzte nicht einmal Meredith retten können, die drei Tage lang zwischen Leben und Tod schwebte.
Eine Woche lang lag sie an zahllosen Schläuchen und wartete verzweifelt darauf, Matts lange, energische Schritte auf dem Flur zu hören. Ihr Vater hatte versucht, ihn telephonisch zu erreichen, und als ihm das nicht gelungen war, hatte er ein Telegramm geschickt.
Matt kam nicht. Er rief auch nicht an.
In der zweiten Woche ihres Krankenhausaufenthaltes beantwortete er jedoch das Telegramm mit einem
Weitere Kostenlose Bücher