Schatten der Liebe
wir allen sagen, daß du zum Wintersemester aufs College gehst.«
»Hör endlich damit auf!« schrie Meredith und rannte in ihr Zimmer. Immerhin faßte sie den Entschluß, Matts Schreibfaulheit damit zu begegnen, daß auch sie weniger
Briefe schickte. Außerdem kam sie sich allmählich etwas lächerlich dabei vor, ihm dauernd zu schreiben, wenn er nicht einmal die Zeit für eine Postkarte fand.
Am gleichen Nachmittag rief Lisa an. Sie spürte Merediths nervöse Gereiztheit sofort und erriet auch den Grund: »Keine Post von Matt heute? Und dein Vater hackt wohl auch wieder auf seinem Lieblingsthema rum, stimmt's?«
»Stimmt«, sagte Meredith. »Seit Brief Nummer fünf sind schon wieder zwei Wochen vergangen.«
»Laß uns heute abend ausgehen«, schlug Lisa vor. »Wir machen uns fein - das hebt die Stimmung - und gehen irgendwo schick essen.«
»Wie wär's mit Glenmoor?« fragte Meredith; das würde ihr die Möglichkeit geben, einen Plan auszuführen, mit dem sie in Gedanken schon seit Wochen spielte. »Vielleicht«, sagte sie, »ist Jon Sommers da. Er ißt normalerweise immer dort. Du könntest ihn über Ölbohrungen ausfragen, und vielleicht erwähnt er dabei Matt.«
Tatsächlich saß Jonathan mit ein paar anderen Männern im Salon. Als Meredith und Lisa hereinkamen, erregten sie einige Aufmerksamkeit, und es war nicht weiter schwierig, an Jons Tisch Platz zu nehmen. Fast eine Stunde lang saß Meredith keine fünf Meter von der Stelle entfernt, wo sie vor vier Monaten Matt kennengelernt hatte, und beobachtete Lisa, die eine filmreife Vorstellung gab: Sie überlegte, ob sie nicht ihr Hauptfach wechseln und Geologie - Spezialgebiet Ölsuche - studieren solle, erzählte sie Jonathan. Meredith erfuhr, in dieser Stunde mehr über Ölbohrungen, als sie hatte wissen wollen - und buchstäblich gar nichts über Matt.
Zwei Wochen später lächelte Merediths Arzt nicht mehr, als er sie nach der Untersuchung in sein Sprechzimmer bat. Sie hatte wieder Blutungen, und diesmal starke. Jegliche Art von Aktivitäten mußten unterbleiben. Mehr denn je sehnte Meredith sich nach Matt. Als sie heimkam, rief sie Julie an -nur um mit jemandem zu sprechen, der ihm nahestand. Sie hatte Matts Schwester aus dem gleichen Grund schon vorher zweimal angerufen und jedesmal hatten Julie und ihr Vater in derselben Woche von Matt gehört.
An diesem Abend lag Meredith lange wach und betete, daß das Baby in Ordnung sei und daß Matt ihr schreiben möge. Seit seinem letzten Brief war ein ganzer Monat vergangen. Darin hatte er mitgeteilt, daß er sehr hart arbeiten müsse und abends todmüde ins Bett falle. Sie hatte dafür Verständnis, aber sie begriff nicht, daß Matt Zeit hatte, an seine Familie zu schreiben, aber nicht an sie. Meredith legte schützend die Hand auf ihren Bauch. »Dein Daddy«, flüsterte sie dem Baby zu, »wird von mir einen sehr strengen Brief bekommen.«
Das wirkte offenbar, denn Matt fuhr acht Stunden zum nächsten Telephon und rief sie an. Sie war so glücklich, seine Stimme zu hören, daß sie fast den Hörer fallen ließ, aber er war etwas kurzangebunden und klang kühl. »Die Hütte, die ich gemeint habe, ist noch nicht verfügbar«, berichtete er ihr. »Aber ich habe eine andere Wohngelegenheit gefunden, in einem kleinen Dorf nicht weit von hier. Ich werde allerdings nur am Wochenende dortsein können.«
Meredith konnte nicht kommen, nicht jetzt, da der Arzt sie jede Woche untersuchen wollte. Sie konnte nicht kommen, sie wollte Matt aber auch nicht beunruhigen, indem sie ihm sagte, daß das Baby in Gefahr war. Andererseits war sie wütend auf ihn, weil er nie schrieb, und hatte auch solche Angst um das Baby, daß sie es ihm schließlich doch erzählte. »Ich kann nicht kommen«, sagte sie. »Der Arzt besteht darauf, daß ich zu Hause bleibe und mich so wenig wie möglich bewege.«
»Ach wirklich?« höhnte er. »Sommers war letzte Woche hier und hat mir erzählt, daß ihr, du und deine Freundin Lisa, in Glenmoor allen Männern den Kopf verdreht habt.«
»Wir waren dort zum Essen, und es war, bevor der Arzt mir Ruhe verordnet hat.«
»So.«
»Was erwartest du von mir?« konterte sie in einem seltenen Anfall von Sarkasmus. »Daß ich Tag für Tag hier herumsitze und auf einen deiner raren Briefe warte?«
»Du könntest es versuchen«, schnappte er. »Apropos. Du bist ja auch keine große Briefeschreiberin.«
Meredith faßt dies als Kritik an ihrem Schreibstil auf und wurde so wütend, daß sie am liebsten
Weitere Kostenlose Bücher