Schatten der Liebe
Baupreise sind noch relativ niedrig. Die Wirtschaft dort wird boomen, wenn wir soweit sind, unsere Filiale zu eröffnen.«
Meredith warf einen kurzen Blick auf ihre Uhr und stand auf. Es war Freitag nachmittag, drei Uhr, und der Verkehr würde schon jetzt beträchtlich sein. »Ich muß los«, sagte sie und lächelte entschuldigend. »Vielleicht kann Ihr Freund in Houston herausfinden, ob Thorp wirklich einen anderen Interessenten hat, und wenn ja, wen.«
»Ich habe schon mit ihm gesprochen. Er hört sich um.«
14
Matts Limousine schob sich langsam durch den dichten Freitagnachmittagsverkehr der Chicagoer Innenstadt. Er war auf dem Weg zu dem sechzigstöckigen Wolkenkratzer von Haskell Electronics. Matt, der im Fond saß, blickte jeweils nur kurz von seinem Bericht auf, in den er sich vertieft
hatte, als Joe O'Hara bei waghalsigen Manövern ein Taxi überholte, eine rote Ampel überfuhr, kontinuierlich auf die Hupe drückte und erschrockene Chicagoer Fußgänger verscheuchte. Keine fünf Meter vor der Einfahrt zur Haskell-Tiefgarage trat er voll auf die Bremse und brachte den langen Wagen direkt davor zum Stehen. »Tut mit leid, Matt«, sagte er mit einem trockenen Grinsen, als er aufblickte und im Rückspiegel Matts gerunzelte Stirn sah.
»Ich möchte wirklich wissen«, erwiderte Matt ärgerlich, »warum du am liebsten jeden Fußgänger in eine Kühlerfigur verwandeln würdest.« Seine Stimme ging in dem Quietschen der Reifen unter, als Joe die engen Kurven der Tiefgarage mit voller Geschwindigkeit nahm und die Wände rechts und links nur um Millimeter verpaßte. Ohne Rücksicht darauf, wie elegant oder teuer der Wagen war, den er lenkte - Joe O'Hara fuhr immer wie ein übermütiger Teenager in einem alten verbeulten Chevy, der eine Blondine auf dem Schoß und ein Sechserpack Bier auf dem Beifahrersitz hatte. Wäre sein Reaktionsvermögen nicht gleichfalls so gut wie das eines Teenagers gewesen, er hätte seinen Führerschein und vermutlich auch sein Leben schon vor Jahren verloren.
Aber er war ebenso loyal wie waghalsig, und diese beiden Eigenschaften hatten Matt vor zehn Jahren in Südamerika das Leben gerettet. Damals hatten die Bremsen des Lastwagens, den Matt lenkte, versagt, und der Laster war eine Böschung hinabgestürzt und explodiert. Joe hatte Matt unter Einsatz seines eigenen Lebens aus dem brennenden Fahrzeug herausgeholt, und dafür neben einer Kiste Whisky auch Matts ewige Dankbarkeit erhalten.
Unter seiner Jacke trug Joe eine 45er Automatik, die er vor Jahren gekauft hatte, als er Matt durch die Kette der Streikposten chauffiert hatte, die eine seiner ersten Firmen blockierten. Matt hielt die Pistole für überflüssig. Joe war zwar nur wenig über einsfünfundsiebzig groß, aber er war ein einziges muskuläres Kraftpaket. Sein Gesicht wirkte fast häßlich, und sein finsterer Blick war furchterregend. Der Job eines Leibwächters paßte wesentlich besser zu ihm als der eines Chauffeurs: Er sah aus wie ein japanischer Meisterringer. Und er fuhr wie ein Verrückter.
»Wir sind da«, verkündete Joe, während er den Wagen direkt neben dem Privataufzug des Gebäudes zum Stehen brachte. »Willkommen im neuen Zuhause.«
»Für ein Jahr oder weniger«, sagte Matt und klappte seinen Aktenkoffer zu. Wenn Matt eine neue Firma kaufte, blieb er normalerweise nur zwei, höchstens drei Monate dort - lange genug, um mit seinen Leuten die Lage zu klären und das weitere Vorgehen abzusprechen. Bisher hatte er jedoch nur Unternehmen erworben, deren Management in Ordnung war und die lediglich aus dem einen oder anderen Grund finanziellen Schwierigkeiten hatten. Die Änderungen, die er in diesen Fällen vornahm, waren in der Regel gering und beschränkten sich oft darauf, die Geschäftsführung dem Stil von Intercorp anzupassen. Bei Haskell lagen die Dinge anders. Hier würden veraltete Management- und Produktionsmethoden umgestellt werden müssen. Unter anderem plante Matt eine neue Fertigungshalle, und den Bauplatz dafür hatte er bereits erworben: in Southville, einem Vorort von Chicago. Haskell mußte von Grund auf überholt werden. Die Umstrukturierung von Haskell Electronics und der gerade gekauften Tankerflotte würde Matt arbeitsreiche Tage und Nächte kosten, aber daran war er gewöhnt. Und in gewisser Hinsicht freute er sich auf die Herausforderung, die mit der Rationalisierung von Haskell verbunden war. Sein Übernahme-Team war hier seit Wochen an der Arbeit. Sie waren oben und warteten auf ihn.
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