Schatten der Liebe
vorzuschlagen. Auf dem Ball kann er dich einer Menge Leuten vorstellen, die dort Mitglied sind, also paß auf, daß er dich nicht völlig mit Beschlag belegt. Aber du wirst sowieso die Sensation des Abends«, fügte sie hinzu. »Ooh, und die Presse wird en masse da sein, also mach dich schick. Weißt du, eigentlich ist es direkt erniedrigend, Mr. Farrell«, scherzte sie, »wenn ich daran denke, daß mein Begleiter heute abend mehr Aufsehen erregen wird als ich ...«
Bei der Erwähnung des Glenmoor Country Clubs, wo er an jenem lang vergangenen vierten Juli Meredith kennengelernt hatte, biß Matt grimmig die Zähne zusammen und hörte kaum, was Alicia weiter erzählte. Er war bereits Mitglied in zwei anderen Country Clubs, beide nicht weniger exklusiv als Glenmoor. Und beide nutzte er nur selten. Wenn er wirklich einem in Chicago beitreten sollte, wozu er momentan weder Lust noch Motivation verspürte, dann ganz bestimmt nicht Glenmoor. »Sag deinen Vater, daß ich die Idee zu würdigen weiß, aber es wäre mir lieber, er würde nichts in der Richtung unternehmen.« Bevor er weiterreden konnte, schaltete sich Stanton Avery in das Gespräch ein. »Matt«, sagte er in seiner rauhen, aber herzlichen Art, »du hast doch nicht etwa das Opern-Benefiz vergessen?«
»Ich hab' drangedacht, Stanton.«
»Gut, gut. Ich dachte, wir holen dich so gegen neun ab, fahren auf ein paar Drinks im Yacht Club vorbei und anschließend dann ins Hotel. Auf die Art kommen wir um die leidige Opernaufführung herum. Oder willst du La Traviata unbedingt sehen?«
»Ganz bestimmt nicht. Opern sind gräßlich und einschläfernd«, scherzte Matt, und Stanton lachte zustimmend.
Trotz seiner Abneigung gegen Opernmusik und Presser-ummel freute sich Matt auf den heutigen Abend. Er hatte Stanton Avery vor vier Jahren in Los Angeles kennengelernt, und jedesmal, wenn Matt in Chicago oder Stanton in Kalifornien war, versuchten sie, sich zu treffen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Angehörigen der sogenannten feinen Gesellschaft, die Matt kannte, war Stanton ein ganzer Kerl, ein richtiger Geschäftsmann, und Matt mochte ihn sehr. Er wäre auch der perfekte Schwiegervater gewesen. Alicia war ihrem Vater sehr ähnlich - gebildet und vornehm, aber genauso spontan und direkt, wenn es darum ging, etwas zu bekommen, das sie wollte. Beide hatten Matt gebeten, mit ihnen auf den Wohltätigkeitsball zu gehen, und beide hätten keine Absage akzeptiert. Schließlich hatte er nicht nur versprochen teilzunehmen, sondern auch noch 5000 Dollar gestiftet.
Als Alicia vor drei Monaten bei ihm in Kalifornien gewesen war und ganz unverfroren den Gedanken geäußert hatte, daß sie beide doch heiraten sollten, hatte Matt die Idee kurz in Erwägung gezogen, dann aber sehr schnell wieder fallen gelassen. Er war gerne mit Alicia zusammen - im Bett und außerhalb -, und er mochte ihre Art, aber er war schon einmal mit einem Mitglied der Chicagoer Schickeria verheiratet gewesen und hatte nicht die geringste Lust, diese Erfahrung zu wiederholen. Oder vielleicht eher umgekehrt: Er hatte eine zweite Heirat nie ernstlich in Erwägung gezogen, weil er niemals in der Lage gewesen war, ähnliche Gefühle für eine andere Frau zu entwickeln - jenes unglaublich starke, besitzergreifende, absolut verrückte Verlangen, Meredith zu sehen, zu berühren, mit ihr zu lachen; jene übermenschliche Leidenschaft, die damals von ihm Besitz ergriffen und die niemals nachgelassen hatte. Keine andere Frau hatte jemals so zu ihm aufgeblickt, bei keiner anderen war er sich so mächtig und so klein zugleich vorgekommen, und keine andere hatte in ihm das gleiche verzweifelte Bedürfnis geweckt, sie zu beschützen und ihr zu beweisen, daß er es noch viel weiter bringen konnte. Jemanden zu heiraten, der nicht dasselbe vermochte, hieß, sich mit der zweiten Wahl zufrieden zu geben. Und das war nicht Matts Art. Gleichzeitig hatte er jedoch absolut kein Bedürfnis danach, eben diese stürmischen, quälenden Gefühle noch einmal durchzumachen. Sie bargen ebensoviel Schmerz wie Freude, und nach dem Ende seiner unglückseligen Ehe hatte die bloße Erinnerung an sie - und an die verräterische junge Frau, die er angebetet hatte - gereicht, sein Leben jahrelang zur Hölle zu machen.
Matt schlüpfte in seine schwarze Smokingjacke und ging vom Schlafzimmer in den Wohnraum hinüber. Er hatte noch eine gute Viertelstunde Zeit, bis Stanton und Alicia ihn abholen würden, und schlenderte zu der Bar hinüber, vor der
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