Schatten der Liebe
»Es ist lange her«, sagte sie, und ihre Stimme klang so weich und dunkel wie je.
»Zu lange«, erwiderte er und meinte es auch so.
»Drei Monate«, erinnerte sie ihn. »Hast du vor, mir die Hand zu schütteln, oder bekomme ich einen ordentlichen Kuß?«
Matt warf einen amüsiert-fragenden Seitenblick auf ihren Vater, und als Stanton sein väterliches Einverständnis nickte, zog Matt Alicia ohne viel Federlesens mit einem Ruck auf seinen Schoß. »Wie ordentlich hast du ihn dir vorgestellt?«
Sie lächelte und sagte: »Ich werde es dir zeigen.«
Nur Alicia würde es wagen, unter den Augen ihres Vaters einen Mann so zu küssen, wie sie es jetzt tat. Aber andererseits hätten auch nur wenige Väter lächelnd den Blick abgewandt und höflich zum Seitenfenster hinausgeschaut, wenn ihre Töchter einen Mann mit einer so durchdringenden Leidenschaftlichkeit küßten.
Schließlich ließ sie sich von seinem Schoß gleiten, setzte sich ihm gegenüber und schlug die langen Beine übereinander. Ihr Mantel gab den Blick auf ihr seitlich hochgeschlitztes hautenges schwarzes Abendkleid frei. »An was denkst du gerade?« fragte sie.
»Du kannst später herausfinden, was er denkt«, unterbrach Stanton. »Zunächst mußt du mir sagen, wie es deinem Vater geht, Matt. Besteht er immer noch darauf, auf der Farm zu bleiben?«
»Es geht ihm gut«, antwortete Matt, und das stimmte. Patrick Farrell war seit elf Jahren trocken. »Ich konnte ihn endlich überreden, die Farm zu verkaufen und in die Stadt zu ziehen. Er wird ein paar Wochen bei mir wohnen, dann fährt er zu meiner Schwester. Ich muß diesen Monat nochmal für ein paar Tage auf die Farm raus und einige Familienandenken zusammenpacken. Er bringt es nicht übers Herz, das selber zu tun.«
Der riesige Ballsaal des Hotels war mit seinen hochaufragenden Marmorsäulen, den glitzernden Kristallüstern und der herrlichen Stuckdecke immer eindrucksvoll, aber heute abend kam er Meredith besonders prächtig vor. Sie und Parker, der seinen Arm besitzergreifend um ihre Taille gelegt hatte, standen in der Nähe der Tanzfläche und nahmen die Glückwünsche von Freunden und Bekannten entgegen, die von ihrer Verlobung erfahren hatten. Als die letzte Gruppe sich entfernte, blickte Meredith in die Augen Parkers und mußte plötzlich kichern.
»Was ist denn so komisch?« fragte er mit einem liebevollen Lächeln.
»Das Lied, das das Orchester gerade spielt«, erklärte sie. »Es ist genau dasselbe, zu dem wir getanzt haben, als ich dreizehn war.« Da Parker sie verständnislos anblickte, fügte sie hinzu: »Auf Miss Eppinghams Ball im Drake Hotel.«
Parkers Ausdruck klärte sich, und er grinste. »O ja - Miss Eppinghams obligater Elendsabend.«
»Ich habe mich damals wirklich elend gefühlt«, stimmte Meredith zu. »Meine Abendtasche fiel herunter, und wir sind mit den Köpfen zusammengestoßen, erinnerst du dich? Dann bin ich dir beim Tanzen dauernd auf die Füße gestiegen.«
»Du hast deine Tasche fallenlassen, und wir sind auch mit den Köpfen zusammengestoßen«, sagte er mit der zarten Einfühlsamkeit, die sie lieben gelernt hatte, »aber du bist mir nicht einmal auf den Fuß getreten. Du warst anbetungswürdig. An diesem Abend habe ich zum ersten Mal bemerkt, was für wundervolle Augen du hast», fuhr er mit einem nachdenklichen Lächeln fort. »Du hast mich mit einem ganz seltsamen, ungeheuer intensiven Ausdruck angesehen ...«
Meredith lachte laut heraus. »Wahrscheinlich habe ich mir gerade überlegt, wie ich am besten um deine Hand anhalte!«
Er grinste und drückte sie enger an sich. »Wirklich?«
»Ganz ehrlich.« Ihr Lächeln schwand, als sie eine Klatschkolumnistin auf sich zukommen sah. »Parker«, sagte sie rasch, »ich gehe für ein paar Minuten in den Salon hinauf. Sally Mansfield ist auf dem Weg hierher, und ich möchte erst mit ihr sprechen, wenn ich montags herausgefunden habe, wer bei Bancroft's ihr den Unsinn von wegen Sonderverkauf zur Feier unserer Hochzeit erzählt hat. Wer immer das war, wird dafür zu sorgen haben, daß eine Gegendarstellung erscheinen wird. Bitte schau, ob du Lisa siehst«, fügte sie, schon unterwegs zu der prächtigen Treppe, hinzu. »Sie sollte schon längst hier sein.«
»Unser Timing war perfekt, Matt«, sagte Stanton, als Matt den Pelz von Alicias Schultern nahm und ihn der Garderobiere am Eingang des Ballsaales überreichte. Matt hörte ihn, aber seine Aufmerksamkeit galt momentan einzig dem gewagten Rückenausschnitt von
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