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Schatten der Liebe

Titel: Schatten der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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mehrere Sofas zu einer gemütlichen Sitzgruppe arrangiert waren. Er hatte dieses Gebäude und diese Penthousewohnung ausgewählt, weil die Außenwände fast durchgehend aus Glas bestanden und einen atemberaubenden Blick über den Lake Shore Drive und auf die Skyline von Chicago boten. Einen Moment verharrte er, die Aussicht genießend, dann ging er zur Bar, um sich einen Brandy einzuschenken. Unterwegs streifte er den Glasecktisch, auf den die Haushälterin die ordentlich zusammengefaltete Tageszeitung gelegt hatte, und die Zeitung fiel zu Boden, die einzelnen Teile aufgefächert.
    Sofort sah er Meredith.
    Ihr Bild blickte ihm von der letzten Seite des ersten Teils entgegen - perfektes Lächeln, perfekte Frisur, perfekter Ausdruck. Typisch Meredith, dachte er voller Abscheu, als er die Zeitung aufhob und ihr Photo näher betrachtete - immer ist sie in Pose. Schon mit achtzehn war sie wunderschön gewesen, aber selbst auf den Pressephotos wirkte sie jetzt wie eine junge Grace Kelly.
    Sein Blick wanderte von dem Bild zu dem darunterliegenden Artikel, und für einen Augenblick erstarrte Matt vor Überraschung: Laut der Kolumnistin Sally Mansfield hatte Meredith sich gerade mit ihrer »Jugendliebe« Parker Reynolds III verlobt, und Bancroft & Company würde ihre Hochzeit im Februar mit einer landesweiten Verkaufsaktion feiern.
    Matt verzog seine Lippen zu einem ironischen Lächeln, warf die Zeitung beiseite und ging zum Fenster. Er war mit dem verräterischen kleinen Biest verheiratet gewesen und hatte nicht einmal gewußt, daß sie eine »Jugendliebe« gehabt hatte. Aber eigentlich hatte er sie ja nie richtig gekannt. Und den Teil von ihr, den er kannte, haßte und verabscheute er.
    Aber noch während er dies dachte, merkte Matt plötzlich, daß seine Gefühle nicht mit seinen Gedanken übereinstimmten. Offenbar reagierte er aus alter Gewohnheit, denn eigentlich haßte er sie gar nicht mehr. Er fühlte ihr gegenüber nur noch einen gewissen Widerwillen. Was zwischen ihnen passiert war, lag so lange zurück, und mit der Zeit waren sämtliche Gefühle, die er für sie empfunden hatte, vergangen, selbst der Haß. Meredith hatte zu wenig Charakter und Rückgrat besessen, um Haß zu verdienen. Und sie war zu abhängig von ihrem Vater. Im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft hatte sie ihr gemeinsames Kind abgetrieben und ihm anschließend ein Telegramm geschickt, in dem stand, was sie getan hatte und daß sie die Scheidung wollte. Und trotz allem, was sie seinem Baby angetan hatte, war er so verrückt nach ihr gewesen, daß er sofort zurückgeflogen war, um ihr wenigstens die Scheidung auszureden. Im Krankenhaus erfuhr er von der Stationsschwester, daß Meredith ihn nicht sehen wolle, und ein uniformierter Beamter begleitete ihn zur Tür hinaus. Matt, der geglaubt hatte, diese Anordnungen stammten vielleicht gar nicht von Meredith, sondern von ihrem Vater, war am nächsten Tag noch einmal zurückgekommen. Diesmal traf er schon am Eingang auf einen Polizisten, der ihm eine gerichtliche Verfügung in die Hand drückte, die besagte, daß Meredith selbst ihm bei Strafe untersage, sie weiter zu belästigen.
    Jahrelang hatte Matt die Erinnerung an all das mühsam verdrängt, weil er es nicht ertragen konnte, daran zu denken. Meredith aus seinem Kopf zu verbannen, war eine Herausforderung gewesen, die er bis zur Perfektion erlernt hatte. Zuerst aus Selbstschutz, später aus Gewohnheit.
    Während er jetzt auf die Lichterkette des Lake Shore Drives hinunterblickte, erkannte er, daß das alles der Vergangenheit angehörte. Meredith hatte für ihn aufgehört zu existieren. Als er den Entschluß gefaßt hatte, dieses Jahr in Chicago zu verbringen, war er sich bewußt gewesen, daß Meredith und er einander sicherlich begegnen würden, aber er hatte nicht zugelassen, daß sie seine Pläne beeinträchtigte. Jetzt wußte er, daß er sich unnötige Gedanken gemacht hatte; es spielte keine Rolle mehr. Sie waren beide erwachsen, die Vergangenheit war abgeschlossen und vorbei. Meredith war gutes Benehmen gleichsam angeboren. Sie würde die Begegnung mit ebenso höflicher Gelassenheit hinnehmen wie er.
    Matt stieg in den Fond von Stantons Mercedes-Limousine und schüttelte seinem Freund die Hand, dann wandte er seinen Blick Alicia zu, die einen knöchellangen Zobelmantel trug, der dieselbe Farbe wie ihr dunkelglänzendes Haar hatte. Sie streckte ihm die Hand entgegen und versenkte ihren Blick in seinen - verführerisch, direkt und sprechend.

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