Schatten der Lust
Tains Hand und Darius’ Nacken. Darius war ein Bündel tätowierter Gliedmaßen, hatte Kalen aber ebenfalls nicht losgelassen, wie auch Kalen und Adrian den Kreis nicht unterbrochen hatten.
Tain öffnete die Augen, aus denen das schrecklich blaue Licht verschwunden war. Er hob den Kopf und sah Hunter mit demselben Ausdruck an wie an jenen fernen Morgenden, als er und Hunter nach einer durchfeierten Nacht mit einem grausamen Kater erwacht waren.
»Verdammt!«, krächzte er.
Hunter lächelte matt, was allein schon weh tat. »Hi, kleiner Bruder. Willkommen zurück!«
Kehksut wandte sich zu ihnen, beäugte sie mit einem messerscharfen Blick und badete sie in Finsternis, so dass das weiße Licht um sie herum gedämpft wurde. Aber er tat nichts. Vielleicht glaubte der Dämon nicht, dass Tain sich je von ihm befreien könnte, dachte Hunter, oder – was ungleich beunruhigender war – Kehksut war es gleich. Das wiederum würde bedeuten, dass er ihnen keine Chance ausrechnete, nicht einmal allen fünf zusammen. Falls dem so war, saßen sie verflucht tief in der Tinte.
Hunter löste die Finger von Tains Handgelenk, weil seine Hände schmerzhaft verkrampft waren. Darius und Kalen lagen seitlich da, beide nach Atem ringend. Adrian hockte auf allen vieren. Sein langes Haar hing bis zum Boden; seine Augen blickten leer und müde.
Tains Wappenrock war wieder blutig und zerrissen wie auf dem Schlachtfeld vor siebenhundert Jahren, wo sie gegen die Dunkelfeen gekämpft hatten. Hunter und Darius hatten ihn damals zur Burg zurückgehen sehen, als hätte er etwas Dringendes zu erledigen.
Angeekelt blickte Tain an sich herab und riss sich den Wappenrock vom Leib, dann das Kettenhemd und die fleckige Tunika darunter. Schließlich stand er auf. Sein Körper war wieder heil, seine Narben blassrosa und weiße Linien.
»Behalte das Kettenhemd lieber an!«, riet Hunter. »Wir sind mitten in einer Schlacht, falls du es noch nicht bemerkt hast.«
Tain verzog das Gesicht. »Ich ertrage es nicht an mir. Nie wieder!« Er sah zu Hunter hinunter. »Du siehst beschissen aus, weißt du das?«
Hunter wollte lachen, doch es tat scheußlich weg. Neben ihm stand Darius mühsam auf und legte einen Arm um Tain. »Willkommen zurück, Zwerg!«
Adrian stemmte sich als Nächster vom Boden hoch und nahm seinen Bruder in die Arme. »Alles ist gut, Kleiner!«, sagte er.
Kalen lehnte sich mit einem Arm auf Hunters Schulter. Sein Gesicht war zerfurcht vor Schmerz, aber zur Abwechslung wirkten
seine Augen einmal fast munter.
»Dafür bist du uns einiges schuldig«, meinte er zu Tain, und Hunter und Darius lachten.
»Hör nicht auf die Idioten!«, fuhr Adrian dazwischen, der sein Gesicht in Tains Haar vergrub und ihn fest umarmte.
Leda spürte die Veränderung, noch während sie das Messer, das Ricco ihr gegeben hatte, gegen einen weiteren Dämon richtete, der sie zu Boden geworfen hatte. Das weiße Licht um die Unsterblichen wurde schwächer und enthüllte Darius, Hunter und Kalen, die sich gegenseitig aufrecht hielten, sowie Tain, der an Adrians Schulter weinte.
Trotz Kehksuts Attacke gegen die fünf war Leda erleichtert, denn der Zauber der Unsterblichen hatte offensichtlich funktioniert. Sie hatten Tain gerettet. Nun waren sie wieder fünf.
Dennoch hatten sie es mit einem riesigen uralten Dämon aufzunehmen, der über eine unvorstellbare Macht verfügte und noch dazu von einer ganzen Armee an Gefolgsleuten unterstützt wurde. Die Schlacht war noch nicht vorbei.
Kehksut öffnete den Mund und stieß eine weitere Welle Todesmagie aus. Sie traf die Werwölfinnen, Valerian und Mac, so dass die bereits geschwächten lebensmagischen Wesen noch mehr Kraft verloren. Der Schlund der Todesmagie sog die Lebensmagie noch schneller aus der Welt, denn der Dämon wusste wohl, dass er fertig sein musste, bevor die schwachen, desorientierten Unsterblichen wieder erstarkten.
Neben ihnen waren Valerian und Mac die mächtigsten Kämpfer. Leda jagte ihr Messer durch den Dämon, der sie zu Boden drückte, und schob ihn beiseite. Auf Händen und Knien krabbelte sie zu Valerian, wobei sie Schutzzauber sang. Verzweifelt bemühte sie sich, einen Schild um sich herum zu errichten, aber da die Lebensmagie schwand, war es zu schwierig, mehr als ein schwaches blaues Licht zustande zu bringen.
Valerian in seiner Drachengestalt lag hilflos auf der Seite, und Sabina als Wölfin stupste ihn mit der Nase an. Mukasa war bei ihr und versuchte ebenfalls, den Drachen wieder
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