Schatten der Lust
Löwenaugen weiteten sich erschrocken, während sein Körper sich dehnte, sein Schwanz wegschrumpfte und seine Ohren kleiner wurden und an seinem nun menschlichen Haupt tiefer wanderten.
Nach wenigen Sekunden stand ein großer Mann mit struppigem blondem Haar und einem Körper wie ein Ringkämpfer vor ihnen, der sie mit hellbraunen Augen anstarrte.
»Aua … dassss … tut … wähhh.«
»Huch!«, entwich es Christine.
»Mukasa?«, fragte Leda.
Er malmte mit dem Kiefer, sichtlich befremdet ob der Laute, die aus seinem Mund kamen. »Mein Naaame issst Muuukasssa.« Er schaute sich um. »Wo issst mein Freund?«
Seine Miene erhellte sich, als er die fünf Unsterblichen sah, die sich immer noch kaum auf den Beinen halten konnten. Kehksut beobachtete sie und wuchs derweil zu etwas Entsetzlichem heran. Mukasa stieß ein unglückliches Knurren aus und wollte zu ihnen.
»Warte, Mukasa, du darfst den Kreis nicht …«
Doch der Löwenmann ging bereits weg. Zunächst stolperte er ein wenig, weil er es nicht gewohnt war, auf zwei Beinen zu laufen. Der Kreis schimmerte, und das blaue Feld löste sich auf. Mac nahm die Finger von den Gitarrensaiten, worauf die Magie zurück in das Instrument floss.
Mukasa, der einzig darauf konzentriert war, zu den Unsterblichen zu kommen, wurde von Kehksuts Todesmagie in die Seite getroffen. Er stürzte zu Boden und blieb regungslos liegen.
»Hey!«, rief Hunter. »Dafür wirst du bezahlen!«
Leda schob Sabina und Valerian in die entgegengesetzte Richtung zum Haus, das mit in den Riss gesogen worden war. »Bring ihn hinein, damit er wieder zu Kräften kommt! Er ist unser bester Kämpfer, wir brauchen ihn gesund. Mac, geh mit ihm!«
»Nix da, Süße!«, widersprach Mac, der noch erschöpfter aussah als zuvor. »Ihr braucht mich und meine liebliche Musik hier.«
Leda nickte nur. Sabina und Valerian humpelten zum Haus. Auf halbem Weg kam ihnen Pearl entgegen, die sich an den Dämonen vorbeigeschlichen hatte, um ihnen Decken zu bringen.
Hunter stand mit seinem Schwert in der Hand über Mukasa, der immer noch seine Menschengestalt hatte. Ob der Löwenmann tot oder lebendig war, konnte Leda nicht sagen, aber Hunter war auf keinen Fall in der Verfassung, es mit Kehksut aufzunehmen.
»Fünf Hexen!«, rief Leda. »Wir brauchen Samantha!«
Die Halbdämonin kämpfte Rücken an Rücken mit Ricco gegen Dämonen. Der Grottendämon lag zu ihren Füßen.
Mac rannte hin, um ihnen zu helfen, seine Gitarre vorsichtig hochhaltend. Er schob Samantha zu Leda. »Geh!«, befahl er ihr.
Wortlos nahmen sich die vier Hexen bei der Hand und liefen zu Hunter und Mukasa. Unterwegs packte Leda Samantha und zog sie mit. Hunter berührte Mukasas Schulter, und Leda war froh, als sie sah, dass der Löwenmann zuckte. Er war nicht tot – noch nicht.
»Fünf Hexen!«, schrie sie Hunter zu, kaum dass sie bei ihm waren.
Hunter blickte müde zu ihr auf. »Was ist mit ihnen?«
»Weiß ich nicht! Ich dachte, ihr hättet es inzwischen ausgeknobelt.«
»Und ich dachte, wenn wir Tain wiederhaben, wird alles besser.« Er sah verärgert zu Adrian.
»Ist es doch«, entgegnete Leda. »Immerhin sind wir noch am Leben.«
»Stimmt auch wieder.« Er legte einen Arm um sie und drückte sie an sich, um sie zu küssen. An seiner physischen Stärke war schon einmal nichts auszusetzen.
»Ich glaube, ich weiß es«, sagte Tain hinter Hunter.
Der rothaarige Krieger war genauso groß wie Hunter, hatte aber etwas breitere Schultern. Nachdem er nicht mehr vom Wahn gezeichnet war, erkannte Leda, dass er wohl der bestaussehende der Unsterblichen sein dürfte. Sein Gesicht war weniger hart, und seine Augen vom leuchtenden Blau eines Bergsees. Zudem deuteten seine Lippen an, dass er ein umwerfendes Lächeln besitzen dürfte.
»Wow, nicht übel, würde ich sagen!«, murmelte Samantha.
»Wir brauchen die fünf Göttinnen«, erklärte Tain.
»Tja, sie sind nicht hier«, entgegnete Samantha, die sich zu den angreifenden Dämonen und den lebensmagischen Kämpfern umdrehte. Die Dämonen schienen zu gewinnen. »Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Die Göttinnen glänzen durch Abwesenheit.«
Tains Mundwinkel zuckten. »Immer noch aufmüpfig, was?«
»Daran erinnerst du dich?«
»Ich erinnere mich an alles.«
Die beiden sahen einander stumm in die Augen.
»Die Hexen müssen für die Göttinnen stehen«, fuhr Tain fort. »Fünf Unsterbliche, fünf Hexen, fünf Göttinnen. Das wirst du noch begreifen.«
Abrupt wandte er sich um.
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