Schatten der Vergangenheit (German Edition)
einen Mallet schwingen. Nichts schmerzte, alles war in Ordnung. Gott sei Dank. Er hätte vielleicht nicht Polo spielen können und er liebte Polo. Eines der wenigen Dinge, die er gut konnte. Nicht so gut, wie sein Cousin, aber gut genug.
„Erklär mir mal, seit wann du eine Ehefrau hast?“ fragte sie.
„Ach, die habe ich vor sechs Jahren im Rausch geheiratet...“ Was hatte sie anderes erwartet?
„Philippe, du bist unmöglich...“ Mia strich ihr langes Haar zurück. Sie mochte Philippe. Sie liebte ihn nicht, denn sie liebte nur ihren Mann, aber Sex mit Philippe war gut. Sehr gut sogar und Mia hoffte, dass eine Ehefrau daran nichts ändern würde, oder?
„Wie sieht sie denn aus?“
„Umwerfend.“ Philippe grinste sie an.
„Umwerfend?“ fragte Mia skeptisch. Philippes Frauen sahen alle umwerfend aus. Darunter war sie noch eine der hässlichsten, abgesehen davon, dass sie über zehn Jahre älter war als er und dreizehn Jahre älter, als der Durchschnitt der Frauen mit denen er normalerweise ins Bett ging. Es war kein Geheimnis, dass er ältere Frauen mochte, aber er war auch erst vierundzwanzig geworden. Er war in so vielen Dingen noch wie ein Kind.
„Sie sieht wie eine lebende Barbiepuppe aus, so eine unschuldige Schönheit.“ Mia seufzte, sank ins Bett und sah an die Decke des Raumes.
„Hilfe, Philippe, du willst eine unschuldige Schönheit im Bett haben?“ Philippe lachte, beugte sich über sie und sah ihr in die Katzenaugen.
„Wer sagt, dass ich sie alleine dort haben will?“ fragte er und küsste sie. Gut, er würde sich verspäten, aber mit einer Erektion konnte er schwer durch Paris laufen, oder?
Lily Marlene wartete auf ihren Ehemann. Sie war verschlafen und wütend. Das hatte unterschiedliche Gründe. Erstens weil sie so schnell wieder auf seinen Charme hereingefallen war, zweitens weil es so früh am Morgen war und drittens, ja, es nagte in ihr die Eifersucht. Eine rasende Eifersucht. Wo hat er die letzte Nacht verbracht? Es war nun eine Stunde später, als sie verabredet hatten.
Sie saß in ihrer kleinen Wohnung in Marais und starrte auf das gemalte Familienbild an der Wand. Ein Geschenk ihres Vaters zu ihrem fünfzehnten Geburtstag. Eine glückliche Familie – zumindest auf Leinwand – und keines der Familienmitglieder war nackt. Aber nichts auf dem Bild entsprach der Realität ihrer Familie, weder der Vater, der einen Bart hatte und anwesend war, noch die Mutter, die gütig lächelte oder das kleine Mädchen, das folgsam die Hand des Vaters hielt. Ihr Vater war nie anwesend gewesen, ihre Mutter hatte nie gütig gelächelt und sie nie die Hand gehalten.
Elisabeth Hohenberg hatte nach der Scheidung von ihrem künstlerischen Ehemann wieder als Fotomodell gearbeitet. Ein oder zwei Jahre, aber mit weniger Erfolg, als in ihren frühen Jahren. Inzwischen war ihr Typ, skandinavische Schönheit, nicht mehr gefragt. Es folgten wilde Jahre, in denen ihre Mutter selten oder erst morgens nach Hause kam. Lily konnte sich genau erinnern. Sie ging damals in die Grundschule und jeder in Deutschland wusste, was ihre Mutter abends tat.
Als Lily zehn war, heiratete Elisabeth Hohenberg einen dieser alten Männer, einen Politiker und Lily, weil sie sich nicht den neuen Regeln anpassen wollte, kam ins Internat. Der alte Mann, und er war immer für sie der alte Mann, war konservativ und Elisabeth trug plötzlich lange Röcke, sah wie ihre eigene Mutter aus und gab Dinnerpartys für Männer und Frauen, die noch älter, als ihr alter Mann waren. Zu gerne hätte sie Lily als perfekte Tochter vorgeführt, aber Lily weigerte sich.
Ein Ehemann wie Philippe war der Gipfel des Eisbergs für ihre Mutter, die irgendwann nichts anderes mehr von ihr erwartet hatte, aber sie wusste noch nichts davon, genauso wenig wie der alte Mann, der inzwischen eine hohe politische Funktion innehatte. In dieser Hinsicht allerdings würde sie sich noch täuschen. Elisabeth Hohenbergs Namen fehlte zwar das „von“, weil sie in Österreich geboren wurde und dort die Adelstitel in weiser Voraussicht 1919 verboten wurden, aber sie fühlte sich immer noch dieser Schicht zugehörig. Wenn ihre Tochter mit dem Spross eines uralten Adels verheiratet war, dann spielte selbst Philippes Lebenswandel keine Rolle mehr. Elisabeth Hohenberg war in dieser Hinsicht nicht viel besser als viele ihrer Mitbürger, die nur den langen Stammbaum und das Geld dahinter
Weitere Kostenlose Bücher