Schatten der Vergangenheit (German Edition)
hatte schon in dem Kleid schön ausgesehen, aber mit den hohen cognacfarbenen Schuhen, dem im Nacken locker hochgesteckten Haar, diesem weißen, knielangen Faltenrock und der weißen Bluse, sah sie ihrer legendären Großmutter ähnlich.
Was hatte sein Vater vor Jahren mal gesagt? Ana war eine der wenigen Frauen, die mit den Jahren schöner wurden und Philippe hätte nie gedacht, dass sein Vater Recht behalten sollte. Er bekam Angst. Was er sah, sahen auch andere! Er wollte Ana nicht verlieren und irgendwann würde ein anderer Mann kommen, der ihre Schönheit und ihre Klugheit genauso anziehend fand, der im Gegensatz zu ihm frei und genauso intelligent wie Ana war und Ana würde Philippe dann nie wieder sehen. Nie wieder. Der Gedanke alleine tat schon weh. Er brauchte etwas zu trinken. Hier im Geschäft gab es nur Champagner. Davon müsste er eine ganze Flasche trinken und dann war er noch immer nicht betrunken.
„Und?“ fragte sie schelmisch. „Schade, dass ich verheiratet bin“, murmelte Philippe. Sie hatte ihn Gott sei Dank nicht richtig verstanden. „Was ist?“ fragte sie. Er sah sie so merkwürdig an. „Du siehst toll aus und das konservative Zeug passt zu dir“, gab er zu.
„Die Schuhe sind nicht konservativ und außerdem ist der Rock weiß“, wendete sie ein und zupfte daran.
„Hör auf, daran zu ziehen. Er wird nicht länger“, mahnte Philippe.
„Soll ich das Zeug nehmen? Es ist zwar schweineteuer…“ wendete sie unsicher ein und sah auf das Preisschild. Wie konnte ein weißer Baumwollrock 2000 Dollar kosten! Das war doch einfach unverschämt.
„Nimm es. Dein Vater zahlt“, erinnerte sie Philippe. „Ich brauche allerdings noch ein Kleid..“ Philippe kam näher und lhnte seine Wange an ihre und sein Mund war bei ihrem Ohr.
„Sag mir die Wahrheit. Wäre es anders, wenn ich nicht verheiratet wäre, würdest du dann mit mir leiben?“ fragte er leise und nur hörbar für sie. Sie seufzte und befreite sich aus der Umarmung.
„Diese Diskussion ist sinnlos, Philippe“, sagte sie und konnte ihm dabei nicht in die Augen sehen. Sie wollte sich von ihm trennen, das würde schwer werden.
„Ich würde mich für dich scheiden lassen“, hörte er sich plötzlich sagen. Er sagte es, ohne viel zu überlegen, denn er hatte in den letzten Tagen öfters daran gedacht. Er war eben lieber mit Ana als mit Lily zusammen und er liebte Lily nicht so wie Ana. Ana sah ihn mit großen Augen an. „Bist du jetzt schon betrunken oder liegt das an dem weißen Fummel, den ich anhabe?“
Er stand nur vor ihr und fuhr sich mit den Fingern durch seine dichten, schwarzen Haare.
„Wahrscheinlich...“ Nun log er und auch er sah ihr dabei nicht in die Augen, sondern auf ihre unlackierten, hellen Zehennägel in den hohen Schuhen.
Ana wollte weglaufen, weit, weit weg, weil sie eigentlich nichts anderes wollte, als ihn zu küssen. Ja, er hörte ihr zu. Sie konnten über Dinge streiten, selbst über Politik diskutieren, denn er gab zu, wenn er etwas nicht wusste. Philippe war anders, als man ihn auf den ersten Blick einschätzte. Er war nicht dumm, eher das Gegenteil. Sie kannte niemanden sonst, der so ein bildhaftes Gedächtnis hatte. Er sah ein Bild, ein Kleid oder was auch immer, nur einmal und merkte sich jedes Detail. Außerdem erkannte er Schönheit und Talent bei jungen Künstlern und er sprach beinahe akzentfrei einige Fremdsprachen.
Aber er war trotzdem Philippe. Philippe, der keinen Bezug zum Geld hatte, der – ohne Kondome – mit zahlreichen Frauen und Männern schlief, der nächtelang Partys feiern konnte, trank bis er nicht mehr stehen konnte und den sie nie alleine für sich haben konnte. Jeder wollte ein Stück von seiner Schönheit und er war nur allzu gerne bereit, jedem dieses Stück zu geben und er war ein Leichtgewicht im Kampf gegen ihren Vater. Er hatte nie Geld und er würde nie welches haben.
„Komm, wir kaufen noch etwas und fahren dann zu Nordstrom“, schlug er vor. Er war zu weit gegangen, dachte er mit Erschrecken. Hatte er sie jetzt verloren? Was würde er jetzt für ein Glas Whiskey geben, kalt und mit Eiswürfeln. Am besten gleich ein großes Glas und vielleicht danach ein zweites, damit diese Schmerzen nicht wieder kamen, die ihn an Henry, Lily, Mia und all die anderen erinnerten und an dieses leere Gefühl, das er mit sich herumtrug und das er sich nicht erklären konnte.
„Ana…“ Er berührte vorsichtig
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