Schatten Des Dschungels
mich erzählt haben. Und vielleicht hat das Projekt Last Hope noch andere Mitglieder, die ich nicht kenne.
Doch dann fällt mir etwas ein. »Aber das hier ist Caracas!« Unwillkürlich werde ich lauter. »Woher wissen sie, dass ich hier bin und nicht auf dem Flughafen in Georgetown?«
Wir blicken uns an. Andy ist so blass, dass sich auf seiner Nase einzelne Sommersprossen dunkel abheben. »Mir fallen auf Anhieb mehrere Möglichkeiten ein«, sagt er. »Aber wir haben keine Zeit, das auszudiskutieren. In zehn Minuten schließen sie die Check-in-Schalter. Wir brauchen unsere Bordkarten, und in den Sicherheitsbereich können diese Typen ja nicht, dann sind wir sie los.« Ich atme auf. Er hat recht. Nichts wie ab durch die Kontrollen.
Doch auf dem Weg zum Check-in-Schalter bemerke ich den Mann von vorhin noch einmal … und diesmal sehe ich den Rand einer Bordkarte aus der Tasche seines Sakkos lugen, das er über dem Arm trägt.
»Er kann auch rein … in den Sicherheitsbereich«, zische ich Andy zu. »Vielleicht kommt er sogar mit an Bord, und die Kobrafrau auch.«
Andy sieht aus, als wäre ihm mulmig zumute. »Schlecht. Ganz schlecht«, murmelt er. »Ich habe auf einmal nicht mehr so viel Lust auf diesen Flug. Du?«
Ich schüttele den Kopf. Scheiße! Was jetzt? Wohin? In meinem Kopf schwirrt es, ich will einfach nur noch weg, fort von diesen Typen. Mit schnellen Schritten gehe ich los, irgendwohin, zu einem der Flughafenausgänge. »Gibt es noch einen anderen Weg, nach Deutschland zu kommen? Es muss doch irgendeinen anderen Weg geben!«
Im selben Moment, als ich es ausspreche, fällt es mir schon ein. Na klar, über den Ozean. Per Schiff. Eloísa hat erzählt, dass ihre Familie irgendetwas mit Schiffen zu tun hat, ich habe nur vergessen, was genau. Vielleicht können ihre Verwandten uns helfen? Als ich Eloísa von meiner Reise nach Südamerika erzählt habe, war sie begeistert und hat mir gleich die Nummern ihrer Tante und ihres Onkels gegeben, nur für alle Fälle.
»Ich muss telefonieren«, presse ich hervor und wir ziehen uns hinter einen lebensgroßen, aufblasbaren Jaguar zurück, der Werbung für eine Fitnessclub-Kette macht. Ich suche die Nummer aus dem Adressverzeichnis meines Pads heraus und tippe sie hastig in Andys Handy. Zwei verschiedene Nummern habe ich, die erste ist besetzt, bei der zweiten geht niemand dran. Verzweifelt versuche ich noch mal die erste – und diesmal hebt jemand ab. »Sí?«, fragt eine ältere Frau kurz angebunden.
»Ich … äh … bin eine amiga von Eloísa … aus Deutschland …«
»Ah!« Die Stimme klingt schon deutlich freundlicher. »Von wo rufst du an? Aus Deutschland? Eloísa ist gerade in München.«
»Ich weiß. Aber ich bin gerade am Flughafen von Caracas … und ich könnte Hilfe gebrauchen.« Nach unendlich langer Zeit und vielen erstaunten Ausrufen auf der anderen Seite ist die Sachlage endlich klar. Ich weiß außerdem, dass ich mit Eloísas Tante Felipa spreche und dass ich es mir richtig gemerkt habe: Mehrere Mitglieder der Familie Zampato arbeiten in der Seefahrt. Schließlich frage ich ein bisschen schüchtern: »Könnte einer von euch uns vielleicht hier abholen?«
»Ja, ja, kein Problem, Ernesto – mein Mann – ist gerade am Hafen, das ist ganz in der Nähe. Er kommt euch holen, am besten am Ausgang B.«
»Okay«, sage ich erleichtert und schaue auf die Uhr. So oder so, die Entscheidung ist gefallen, das Flugzeug wird ohne uns fliegen. O Mann. Morgen früh schon hätte ich in Deutschland sein können und jetzt ist wieder alles offen! Das Ticket war ganz schön teuer, vermutlich sehen wir davon keinen Cent mehr. Ich weiß nicht, ob wir das Richtige tun.
»Wir werden abgeholt«, sage ich Andy und er stößt einen Seufzer aus. Möglichst unauffällig bewegen wir uns weiter in Richtung Ausgang, doch dann kann ich gerade noch verhindern, dass ich zusammenzucke – dort steht der muskulöse blonde Typ, den ich ebenfalls im Dschungel gesehen habe. Er studiert gerade den Monitor, auf dem die Abflüge eingeblendet werden.
»Nicht hinschauen – der Blonde gehört auch dazu«, sage ich im Plauderton zu Andy. »Der hat mich im Regenwald nur nicht erwischt, weil ich gerade auf einem Baum hockte.«
»Katzen flüchten immer nach oben«, sagt Andy und grinst schief. »Ich bin auch so. Immer am höchsten Punkt zu finden.« Er denkt kurz nach. »Am besten, wir trennen uns erst mal. Dann müssen sie sich aufteilen und haben es schwerer, uns im Auge zu
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