Schatten Des Dschungels
»War das ein Feuerwerk?«
Andy nickt grinsend. »War eigentlich für unsere Camp-Abschiedsparty gedacht. Aber dann habe ich das Zeug in meinem Gepäck vergessen, tja, und vorhin ist es mir wieder eingefallen.«
Ernesto nimmt eine Kurve so scharf, dass ich mich lieber mal festhalte. »Ihr nehmt aber nicht Reißaus vor der Pe-Te-Chota, oder?«
»Äh, keine Ahnung, was ist denn das?«, fragt Andy.
»PTJ. Policía Técnica Judicial! Die Bullen, ihr wisst schon!«
»Nein, nein, wir haben gar nichts verbrochen«, beruhige ich ihn. »Wir haben nur ein bisschen Ärger mit einer, hm, einer Umweltschutzorganisation.«
»Die sind auch nicht mehr, was sie mal waren«, seufzt Ernesto und schnickt seinen Zigarettenstummel aus dem Fenster. Jetzt erst kommen wir dazu, einander richtig zu begrüßen und uns vorzustellen. Dann fragt Ernesto: »Also, wo wollt ihr denn jetzt hin?«
»Zum Hafen eigentlich«, meine ich und erkläre, dass wir versuchen wollen, per Schiff nach Europa zu kommen.
»Ah! Ja! Schiffe sind etwas Wunderbares.« Ernesto klingt immer wohlwollender. Er stellt seinen Wagen auf Selbststeuerung und wendet sich zu uns um, um besser mit uns reden zu können. »Meine drei Söhne sind alle an Bord gegangen, die haben Diesel und Meerwasser im Blut, gute Jungs! Der eine ist gerade in Taiwan, der andere in der Nähe von Kapstadt und unser Nesthäkchen Diego ist heute aus Amsterdam zurückgekommen.«
»Und wann fährt er wieder los?«, fragt Andy hoffnungsvoll.
»In einem Monat. Er war drei Monate auf See und hat jetzt einen Monat frei.«
Niedergeschlagen sehen Andy und ich uns an.
»Aber sein Schiff«, ergänzt Ernesto und zündet sich eine neue Zigarette an, »das fährt schon morgen früh wieder zurück nach Amsterdam.«
»Vielleicht könnte uns das an Bord nehmen?«, wage ich vorzuschlagen. Von Amsterdam aus kämen wir schon irgendwie heim.
»Aber sicher! Garantiert!«, ruft Ernesto, fügt aber gleich hinzu: »Natürlich hängt das auch ein wenig vom Kapitän ab und ob an Bord Kabinen frei sind. Aber notfalls packt Diego euch halt in den Laderaum, hehe, blinde Passagiere sind eine gute alte Tradition in Südamerika.«
Ernesto lädt uns ein, bei seiner Familie zu übernachten, und ich bin gerührt von seiner Hilfsbereitschaft. Trotzdem lehne ich ab. Ich habe Falk von Eloísa erzählt, er weiß, dass sie aus Venezuela stammt. Wahrscheinlich kostet es ihn und die anderen keine Stunde, die Adresse ihrer Familie herauszufinden. Also lassen wir uns in einer winzigen, preiswerten Pension absetzen. Ernesto verspricht, dass Diego uns dort am nächsten Morgen abholt und dabei auf Verfolger achtet.
Das Zimmer riecht feucht-muffig, es gibt keinen Fernseher, und die Einrichtung stammt noch aus dem letzten Jahrhundert, aber wenigstens stehen zwei Betten darin. Andy ist ein netter Kerl, doch mit ihm ein Doppelbett zu teilen, selbst wenn wir beide an der äußersten Kante unserer Betthälfte blieben – nein, das käme mir vor wie ein weiterer Verrat an Falk.
Erschöpft lässt sich Andy auf sein Bett fallen. »O Mann. Wir müssen nachschauen, wie viel Bargeld wir noch haben. Mit Karte bezahlen sollten wir vielleicht sicherheitshalber nicht.«
Also machen wir einen Kassensturz und stellen fest, dass wir zusammen tausendeinhundert Dollar in bar haben. Andy hat seine Reise ja vorzeitig abgebrochen und sein Budget noch kaum angetastet. Unsere kostbaren Flugtickets können wir leider nicht zurückgeben, die sind jetzt wertlos. Was mein Vater zu dieser ganzen Aktion sagen wird, wage ich mir nicht einmal vorzustellen. Kein Zweifel, das wird Armageddon. »Ich muss meine Eltern anrufen«, stöhne ich. »Die stehen sonst am Flughafen und warten vergeblich.«
»Aber sag ihnen nicht, wo wir sind und was wir vorhaben«, warnt Andy. »Eine Möglichkeit ist nämlich, dass das Telefon deiner Familie abgehört wird. So könnten die Typen von Caracas erfahren haben.«
Ich nicke grimmig. »Kann sein.«
Meine Eltern sind gerade nicht da, ich spreche ihnen kurz auf den Anrufbeantworter. Andy beachtet mich schon nicht mehr, er hockt am kleinen Tischchen neben dem Bett und versucht auf seinem Pad hoch konzentriert, Pancakes Dateischutz auszuhebeln. Ich schaue ein paar Minuten zu, aber es ist völlig uninteressant, weil ich nicht einmal ansatzweise verstehe, was er da macht. Also gehe ich mir mit meiner brandneuen Zahnbürste die Zähne putzen und rolle mich dann auf dem Bett zusammen. »Gute Nacht«, sage ich in Andys Richtung, und er
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