Schatten Des Dschungels
Aber das Hotel gestern hat mir gefallen, besonders die heiße Dusche, obwohl die extra gekostet hat.
Ich versuche das seltsame Gefühl zu verdrängen, ohne Erfolg. Aber ich komme erst darauf, woher es stammen könnte, als ich mich einmal ganz plötzlich umdrehe, um Andy etwas zu sagen. Dabei bemerke ich, dass ein Mann, der hinter uns geht, abrupt wegschaut. Moment mal … hat der uns etwa verfolgt?
Ich bleibe vor der Scheibe eines Geschäfts stehen und beobachte im spiegelnden Glas, was hinter mir vorgeht.
»Seit wann interessierst du dich denn für Rasierapparate?«, fragt Andy entgeistert. »Hast du irgendein Hormonproblem, von dem ich noch nichts weiß?«
»Selbst wenn ich eins hätte, würde dich das nichts angehen«, schieße ich zurück.
Ja, jetzt habe ich den Typen wieder im Blick. Ein Europäer oder Nordamerikaner. Er hat kurze, braune Haare mit grauen Strähnen und sieht auf den ersten Blick aus wie ein Geschäftsmann. Auf den zweiten Blick fallen mir seine breiten Schultern auf und die präzise Art, wie er sich bewegt. Er ist ebenfalls stehen geblieben und lädt sich am Laden gegenüber gerade eine spanische Zeitung auf sein Pad, oder er tut wenigstens so.
»Los, gehen wir«, sage ich zu Andy – und schlage genau die entgegengesetzte Richtung ein.
»Äh, Cat, zum Check-in müssen wir aber …«
»Komm einfach kurz mit, ja?« Ich habe jetzt keine Zeit, viel zu erklären. »Ganz locker bleiben, okay?«
Der Typ geht davon, kurz darauf ist er außer Sicht. Habe ich mich doch getäuscht? Wahrscheinlich bin ich durch die Strapazen der letzten Wochen so misstrauisch geworden wie ein Dschungeltier, immer auf der Hut vor Gefahren. Muss ich mir wieder abgewöhnen in der zivilisierten Welt.
Ich bin gerade dabei, mich zu entspannen, da fällt mir noch jemand auf. Jemand, der mir bekannt vorkommt. Eine nicht sehr große Frau mit einem dunklen Pagenkopf und kupferfarbener Haut. Sie ist praktisch gekleidet – modisches schwarzes Top, beige Hosen und Armeestiefel. Diese Stiefel sind es, die mich auf die Spur bringen, und dann bemerke ich das Tattoo auf ihrem Schulterblatt – eine Kobra. Es fühlt sich an, als hätte mir jemand einen Kübel Eiswasser in den Kragen geschüttet. Ja, ich kenne sie. Aus der Höhe der Baumkrone habe ich damals gedacht, dass ich es mit einem Mann zu tun hätte, aber es war diese Frau. Ich bin mir sicher. Sie war mit dem großen Blonden auf der Suche nach mir. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie zufällig hier ist?
»Schaust du eigentlich gerne Spionagefilme?«, frage ich Andy.
»Cat, wir müssen jetzt langsam wirklich …«
»Es ist wichtig. Was macht man, wenn man verfolgt wird?«
Er schaltet erstaunlich schnell. »Nicht drüber reden und erst mal weitergehen.«
Also setzen wir uns in Bewegung und plaudern über alles Mögliche. Ich unternehme einen Abstecher aufs Damenklo, setze mich auf die mit Ultraviolett desinfizierte Brille und stütze den Kopf in die Hände. Was ist, wenn ich wirklich überwacht werde? Was soll ich machen? Einfach den geplanten Flug nehmen, als wäre nichts passiert? Mein Bauchgefühl hält gar nichts davon. Ich wundere mich, dass ich überhaupt noch so cool bin. Aber vielleicht kippt das gleich und ich gerate total in Panik wie im Goldgräbercamp.
Als ich aus der Toilettenkabine herauskomme, laufe ich der Kobra an den Waschbecken über den Weg. Sie beachtet mich nicht und auch ich blicke sie nicht an. Ich verlasse die Toiletten und weiß, dass wir jetzt nur wenige Sekunden Vorsprung haben. Hastig packe ich Andy am Arm und zerre ihn in die Herrentoilette. Zum Glück ist es ziemlich leer dort drinnen. Doch ein paar verblüffte Blicke treffen mich trotzdem, und ein Mann sagt grinsend etwas in Spanisch zu mir, was meinen Wortschatz überfordert. Ich ignoriere ihn einfach.
»Da draußen ist eine Frau, die ich schon im Dschungel gesehen habe, als ich auf der Flucht war«, berichte ich Andy leise und hastig in Deutsch. »Ihr Begleiter war bewaffnet.«
»Sieht so aus, als hätten wir ein Problem«, murmelt Andy. »Mist. Wir hätten daran denken müssen, dass sie vielleicht den Flughafen überwachen. Du bist für die eine Verräterin, wahrscheinlich wollen sie dich um jeden Preis aufhalten. Vielleicht sind’s Leute von Living Earth Lateinamerika.«
Mich aufhalten. Puh! Ich bin noch nicht gewohnt, sämtliche Mitglieder von Living Earth als Feinde zu sehen – aber ich werde mich daran gewöhnen müssen. Wer weiß, was ihnen Falk und Pancake über
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