Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
Vom Netzwerk:
bin ich knallrot geworden.
    »Äh, ja.« Ich fummele meinen Ausweis aus der Tasche und einer der Polizisten scannt ihn ein. Da fällt mein Blick auf Falk und ich stutze. Diesmal kann ich den Ausdruck deuten, mit dem er mich anblickt – er sieht enttäuscht aus, und das fühlt sich an, als bohre sich eine lange Nadel ganz langsam in mein Herz. Jetzt merke ich, dass keiner der anderen Umweltschützer sich einfach so identifiziert hat. Stattdessen gibt einer der anderen Jungs freundlich zu bedenken, dass alles, was wir hier tun, durch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit abgedeckt ist, und woher bitte sie das Recht nehmen würden, uns zu kontrollieren?
    Oh Mann. Wahrscheinlich hätte ich das sagen sollen. Stattdessen habe ich pariert wie ein Schaf.
    Auf der Fahrt zurück zur Living-Earth-Zentrale ist Falk sehr schweigsam und er schaut mich nicht an. Ich weiß, dass alles verloren ist, wenn ich jetzt nichts sage. Also presse ich hervor: »Ich habe blöd reagiert vorhin.«
    »Schon okay«, sagt er, aber er sieht mich immer noch nicht an. Und das liegt sicher nicht daran, dass es in der U-Bahn gesteckt voll ist, wie immer zur Hauptverkehrszeit, um uns drängen sich andere Menschen, Körper an Körper. Es riecht stickig, nach verbrauchter Luft und Schweiß.
    Nein, nichts ist okay! Mir ist klar, dass wir über das reden müssen, was geschehen ist, und zwar unbedingt und bald. Doch hier in der U-Bahn geht das nicht, und auf gar keinen Fall geht es in der Living-Earth-Zentrale, wo Lena-Marie und die anderen garantiert die Ohren spitzen werden. Bei der nächsten Station – Universität – nehme ich einfach Falks Hand, zerre ihn nach draußen. Verblüfft lässt er es geschehen. Von hier aus ist es nicht weit bis zum Englischen Garten, dem mit Abstand schönsten Park in München, meiner Oase. Schweigend gehen wir nebeneinanderher, und es macht mir Hoffnung, dass Falk meine Hand nicht losgelassen hat. Er hat kräftige, sehnige Hände, die Hände eines Kletterers.
    Je näher wir den Wiesen und Bäumen kommen, desto entspannter scheint er zu werden, aber das bedeutet noch nicht, dass er wieder mit mir redet. Schließlich gehen wir einfach quer über eine mit Herbstlaub getüpfelte Wiese – hier gibt es zum Glück keine Verbotsschilder – und setzen uns ans Ufer des Eisbachs. Ich ziehe meine Füße im Schneidersitz unter mich und warte darauf, was jetzt kommt.
    Falk atmet tief durch, dann wendet er sich mir zu. »Wenn man sich wirklich ernsthaft für etwas einsetzen will, dann darf man nicht schon beim ersten Widerstand einknicken«, sagt er leise. »Sonst ist man kein echter Umweltschützer und wird nie einer sein.«
    Ich nicke und spüre, wie mein Gesicht wieder zu brennen anfängt. Aber ich fühle mich auch irgendwie erleichtert. Er macht mir keine Vorwürfe, er sagt einfach nur die Wahrheit. Eine Wahrheit, auf die ich auch selbst hätte kommen können. Und auf einmal ist der Weg, der vor mir liegt, klar: Ich will nicht den Rest meines Lebens Flyer verteilen, ich will mehr tun als das – falls ich dazu fähig bin. »Kann man das lernen? Nicht einzuknicken?«
    »Ja«, sagt er und plötzlich ist die Wärme zurück in seiner Stimme. Fest umschließt seine Hand die meine. »Ja, ich glaube, das kann man lernen.«
    Wir beginnen schon am nächsten Abend mit den Übungen. Um neun Uhr abends lösen wir eine Tageskarte, und dann fahren wir so lange S-Bahn, bis wir kontrolliert werden. Schon nach einer halben Stunde ist es so weit; abends gehen sie oft durch, weil sie hoffen, um diese Zeit mehr Schwarzfahrer zu fangen. »Ihre Fahrkarte bitte«, tönt es durch den Zug und mein Puls schnellt in die Höhe. Die Leute um mich herum beginnen in ihren Hand- oder Jackentaschen zu kramen. Nur ich nicht. Mit flüchtigen Blicken auf Fahrkarten und einem kurzen Nicken arbeitet sich eine Kontrolleurin mir und Falk entgegen. Falk zeigt sein Ticket, zum ersten Mal fällt mir auf, dass er Linkshänder ist. Dann bin ich dran. Weil ich nicht reagiere, ernte ich einen fragenden Blick.
    Ich lächle die Kontrolleurin an und versuche völlig ruhig zu wirken, was nicht ganz einfach ist. Aber es hilft, dass ich Falk neben mir spüre und meine Hand den schwarzen Stein umschließt, den er mir geschenkt hat. »Dürfte ich mir Ihren Ausweis mal genauer anschauen?«, frage ich. »Sonst weiß ich ja nicht genau, ob Sie wirklich Angestellte des MVV sind.«
    »Bitte sehr«, sagt sie spitz, klipst ihren Ausweis ab, den sie an der Bluse trägt, und reicht ihn mir.

Weitere Kostenlose Bücher