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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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fällt von mir ab wie eine zweite Haut, die ich nicht mehr brauche.
    Es gibt so viel zu sehen, so vieles ist neu, doch diesmal lasse ich mich nicht davon überwältigen. An einer einladenden Stelle mitten im Dschungel mache ich es mir auf meiner Jacke gemütlich und sitze ganz still, schaue nur, lausche. Nehme auf, was um mich herum ist. Genieße es, ganz im Jetzt zu sein. In der Stadt ist das so schwer, dort hetzt man sich ab auf dem Weg zu irgendeinem Ziel, ist keine Sekunde lang unbeschäftigt, knallt sich alle Kanäle voll mit einem Wirbel aus Bildern, Musik, Menschen. Hier geht das nicht – zum Glück.
    Schon nach kurzer Zeit treten aus dem Gewirr des Dschungels Einzelheiten hervor. Eine winzige Eidechse, die perfekt getarnt auf einem Stamm hockt. Ein Kolibri, der an mir vorbeiflirrt, einen Herzschlag lang seinen Schnabel in eine Blüte taucht. Blattschneiderameisen, die in einer endlosen Kolonne frisch geerntetes Laub zu ihrem Nest bringen, um darauf Pilze zu züchten. Ungläubig bemerke ich, dass ich einer Liane beim Wachsen zusehen kann – sie strebt nach oben, immer weiter nach oben, und bewegt sich dabei ungefähr so schnell wie der Minutenzeiger auf meiner Uhr …
    Es war ein Fehler, an die Uhr zu denken. Sie reißt mich zurück. Wahrscheinlich wundern sich die anderen schon, wo ich bleibe; es hätte mir gerade noch gefehlt, dass sie auf die Suche nach mir gehen. Hastig stehe ich auf.
    Den Pfad zu erkennen ist nicht ganz leicht, er ist ziemlich überwachsen, aber wenn man genau hinsieht, bemerkt man die Spuren unserer Schuhe und Stellen, an denen die Machete Zweige durchtrennt hat. Auf dem Rückweg merke ich, wie gut mir der kleine Ausflug getan hat. Dieser Wald ist mir nicht mehr so fremd wie zuvor, ich fühle mich schon ein klein wenig daheim in ihm.
    Eine halbe Stunde später bin ich zurück im Camp … und stutze. Wo sind die anderen? Das Lager wirkt völlig verlassen, kein Laut ist zu hören. O Mann, ich hätte fragen sollen, wann es wieder losgeht nach der Mittagspause, jetzt sind die anscheinend ohne mich weg, verdammt! Schnell gehe ich zu meinem Gepäck, hole das Handy … und stelle fest, dass es sich feucht anfühlt und das Display bunte Schlieren zeigt, ich kann kaum etwas darauf erkennen. Na prima. Anscheinend nass geworden. Und der nächste Kundendienst ist leider ein paar Tausend Kilometer entfernt.
    Frustriert mache ich mich mit dem Handy auf den Weg zum Ausrüstungszelt – aber schon auf halbem Weg stutze ich. He, Moment mal, dort sind ja Falk, Lindy, Michelle und Pancake! Uff, Glück gehabt, sie sind noch nicht weg; nur Jonas kann ich nirgendwo entdecken.
    Die vier stehen beieinander und unterhalten sich leise. Michelle hat einen Zweig mit gelben Blüten in der Hand, wahrscheinlich von unserem Quadrocopter im Kronendach geerntet. Ein paar Worte wehen zu mir herüber. »Wirkstoff … verdient Millionen … Weg finden …«
    Irgendetwas an der Art, wie die vier dort zusammenstehen – ganz nahe beieinander, ernst, aufeinander konzentriert –, hindert mich daran, sie zu begrüßen, und ich schlucke das »Hi!« wieder herunter, das mir schon auf der Zunge lag. Unvermittelt steigt die Erinnerung in mir hoch, wie Falk meine Filme gelöscht hat. Was wir hier machen … manches davon ist geheim.
    Sie stehen da wie Verschwörer.
    Ich ziehe mich hinter einen Baumstamm zurück und hoffe, dass die anderen mich nicht bemerkt haben. Ganz lautlos war ich nicht, aber fast, unter meinen Schuhen ist das Laub weich und feucht. Mein Atem geht flach, mein Herz schägt viel zu schnell und meine Gedanken fühlen sich an wie aufgeschreckte Hornissen. Es schmerzt, dass Falk ein Teil dieses Kreises ist, dass er mir jetzt den Rücken zuwendet und wahrscheinlich erschrecken würde, wenn er mich sähe. Was läuft hier, was halten die anderen geheim? Artenzählungen und Amphibienforschungen sind doch nicht gerade der Stoff, aus dem Verschwörungen gestrickt werden! Oder etwa doch? Mir fällt wieder ein, wie Pancake gestern im Labor zusammengezuckt ist, als ich hereinkam, und irgendetwas mit dem Arm beiseitegeschoben hat. Ganz sicher bin ich nicht, aber ich hatte den Eindruck, dass es Pflanzenproben waren.
    Während ich vergeblich lausche und versuche, ein paar Worte aufzuschnappen, fällt mir etwas ein, was ich verdrängt hatte. »Sie hätten es uns wohl kaum bezahlt, noch eins von den Dingern mit dem Hubschrauber einfliegen zu lassen.«
    Ich hätte gleich fragen sollen, wer gemeint ist. Wer sind sie ? Living

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