Schatten Des Dschungels
Jonas erstaunt und ich seufze. Immerhin ist es interessant, was er mir noch erzählt: dass die Elterntiere ganz gezielt freie Miniteiche für ihren Nachwuchs suchen – in jeden passt nur ein Tier – und die Kaulquappen jeden Tag besuchen, um sie zu füttern.
Ärgerlich stellt Jonas fest, dass seiner Kamera gerade der Saft ausgeht. Es wäre eine wunderbare Gelegenheit, das Versprechen zu erfüllen, das ich Falk auf der Demo gegeben habe, aber ich habe leider gerade keinen frischen Akku, den ich weiterschenken könnte. Pech gehabt, dann also ein andermal.
Ein Surren lenkt mich ab. Der quadratische ferngesteuerte Hubschrauber unseres Teams steigt gerade senkrecht nach oben, seine vier Rotorblätter sind zum Schutz gegen Zusammenstöße mit Ästen in einem Drahtkäfig verborgen. Falk, der die Maschine vom Boden aus steuert, grüßt mich, indem er den Quadrocopter einmal um seine Achse wirbeln lässt. Dann lenkt er ihn höher, die Kameraaugen des Quadrocopters spähen auf der Suche nach versteckten Amphibien, Insekten und Vögeln in die kleinste Höhlung.
Ich werfe einen Blick nach unten. Tief unter mir sind Michelle und Lindy gerade dabei, Proben zu nehmen und einen DNA-Barcoding-Scanner mit Schnipseln von Pflanzen und anderen Organismen zu füttern, damit er sie analysiert.
Ja, genau so habe ich mir praktischen Naturschutz vorgestellt, ganz genau so!
Als wir am Nachmittag zurück sind im Camp, checke ich erst mal meine Mails und berichte meinen Freunden, was ich schon alles erlebt habe. Auch eine Mail von Andy ist eingetrudelt.
Hi Cat,
kann es sein, dass du im Herbst, als du so überstürzt abgedüst bist, eine Lunchbox im Labor vergessen hast? Hier fliegt nämlich eine rum, die niemandem von uns gehört. Ich kann sie dir gerne bei Gelegenheit mitbringen oder so. Bin allerdings ab nächste Woche eine Weile weg.
Schade, dass du nicht mehr im Labor bist. Mit dir zusammen war die Arbeit viel lustiger. Böse bist du mir aber schon längst nicht mehr, oder?
Viele Grüße,
Andy
Ich seufze und schreibe ihm zurück, dass ich ihm nicht böse bin und dass er die Lunchbox behalten kann. Dass ich gerade in Guyana bin, schreibe ich nicht, sonst kommen ganz viele Fragen und für die habe ich im Moment keine Zeit.
Weil ich gerade sowieso an Labore denke, beende ich meine Computersession und beschließe, in unserem Laborcontainer vorbeizuschauen. Bisher habe ich keinen Blick ins Innere geworfen, es war noch keine Zeit. Gerade sind Lindy und Michelle aus dem Container gekommen, sie gehen in eine andere Richtung davon und bemerken mich nicht.
Ich öffne die Tür des Containers und sehe, dass Pancake noch drin ist. Er zuckt zusammen, als er mich hört, und schiebt mit dem Arm etwas beiseite – anscheinend Pflanzenproben, die Lindy und Michelle ihm gebracht haben.
»Sorry, störe ich?«, frage ich verlegen. Besser, ich hätte vorher gefragt, ob und wann ich das Labor überhaupt betreten darf.
Er schüttelt den Kopf, sagt aber: »Könntest du nächstes Mal bitte anklopfen? Für manche der Messungen braucht man ’ne ruhige Hand.«
»Äh, ja, klar«, sage ich und darf ihm immerhin über die Schulter schauen, als er Froschzellen unter dem Mikroskop betrachtet, DNA reinigt und anfärbt. Kein Wunder, dass er den Container abgeschlossen hat, während er in Deutschland war – das Equipment hier drin ist sicher etliche Tausend Dollar wert, alles vom Feinsten, soweit ich das beurteilen kann. Und daneben hat Pancake drei Stangen Zigaretten aufgestapelt, die er in Georgetown gekauft hat.
»Kann ich dir was helfen?«, frage ich, schließlich habe ich im Labor in München einiges gelernt, das war ja auch der Grund, warum ich überhaupt mitdurfte nach Guyana.
»No thanks, lass mal, trotzdem danke«, sagt Pancake und ich bin ein bisschen verdutzt. Na ja, vielleicht kann ich später helfen, wenn Jonas im Labor dran ist, schließlich bin ich offiziell als dessen Assistentin hier.
Doch wie sich herausstellt, betritt Jonas den Container nicht mal, Pancake scheint ihn als sein ganz eigenes Reich zu betrachten. Michelle ist seine Art, mit dem Labor umzugehen, offenbar nicht ganz genehm, denn als Pancake kurz vor der Containertür eine raucht, blafft sie ihn an: »Mann, kannst du nicht wenigstens Schutzkleidung anziehen, wo ist dein verdammter Kittel und wie wäre es mit einem Mundschutz?«
Doch dieser Ton scheint bei Pancake nicht zu ziehen, er reckt nur das Kinn vor und bläst ihr eine Rauchwolke entgegen. »Hier im Dschungel ’nen
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