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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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Doch ein bisschen gruselig ist es hier nachts schon – schwach angeleuchtet, sehen Lianen wie lauernde Riesenschlangen aus, und ständig raschelt es irgendwo im Unterholz.
    Nach zwanzig Minuten fällt mir ein, dass ich meine Trinkflasche vergessen habe – und schon jetzt fühlt sich mein Mund pappig an, ich könnte einen Schluck gut gebrauchen. Als ich missmutig brumme, fragt Lindy: »Was ist?«
    »Ich hab kein Wasser mitgenommen.«
    Lindy lacht leise. »Ich auch nicht. Hier gibt es überall welches. Warte mal.«
    Sie lässt den Schein ihrer Lampe über die Lianen gleiten, dann reicht sie mir die Lampe, und ich leuchte ihr, während sie die Liane zunächst oben mit ihrer Machete einritzt, dann knapp über dem Boden durchschneidet. Etwas tröpfelt heraus. »Bedien dich«, sagt Lindy.
    Das soll Wasser sein? Ich entscheide mich fürs Ausprobieren, forme aus meinen Händen eine Schale und trinke. Ja, es ist Wasser, es schmeckt frisch und ist erstaunlich kühl.
    »Versuch so etwas aber nicht bei einer Liane, aus der ein milchiger Saft kommt«, empfiehlt mir Lindy. »Daran verdirbst du dir todsicher den Magen.«
    Wie sich herausstellt, ist die colpa eine Stelle mit mineralstoffreicher Erde, nicht weit vom Fluss entfernt. Weil solche Stoffe im Regenwald Mangelware sind, geben sich hier alle möglichen Waldbewohner ein Stelldichein. »Pass gut auf, denn das hier ist wahrscheinlich deine einzige Chance, irgendwelche größeren Tiere zu sehen – normalerweise sind die zu scheu«, sagt Lindy, legt sich auf den Bauch und zieht ein Nachtsichtgerät aus ihrem Rucksack.
    Wir liegen eine Weile bewegungslos in der Dunkelheit, versuchen mit dem Wald zu verschmelzen. Normalerweise kann ich das, ich habe mal zwei Stunden regungslos auf einem Hochsitz verbracht. Doch heute ist mein Kopf zu voll, ich schaffe es einfach nicht, lange genug zu schweigen.
    »Wie hat Falk dich eigentlich überredet, bei Last Hope mitzumachen?«, flüsterte ich schließlich. »Hast du … äh … keine Bedenken gehabt?«
    »Das ist noch milde ausgedrückt. Ich habe Falcon zehn Minuten lang nonstop verflucht. Aber er hat keine Miene verzogen.«
    »Vielleicht kann er kein Spanisch.«
    »Klar kann er Spanisch. Und als ich fertig war mit dem Fluchen, hat er etwas gesagt, was ich nie vergessen habe.«
    »Was denn?«, wispere ich. Doch in diesem Moment legt Lindy ihre Hand auf meinen Mund – eine kleine, schwielige Hand, die nach Erde riecht. »Leise jetzt!«, haucht sie und wir liegen wieder bewegungslos da. Eine halbe Ewigkeit später höre ich ein sehr, sehr leises Rascheln im Gebüsch und rieche etwas, einen Hauch von Raubtiergeruch wie aus dem Zoo. Ach du Schreck, was ist, wenn auch Jaguare hier unterwegs sind? Natürlich würde ich liebend gerne einen Jaguar sehen, aber vielleicht doch lieber nicht jetzt und hier.
    Ich weiß, dass Lindy filmt, das Nachtsichtgerät hat eine integrierte Kamera. Doch das nützt mir wenig, denn ich sehe absolut nichts in der Schwärze, nur die üblichen Leuchtkäfer. Netterweise lässt Lindy dann aber unsere Taschenlampe aufblitzen und zwei gelbe Augen im Gebüsch werfen das Licht hell wie Scheinwerfer zurück. Ein Ozelot! Verdutzt schaut die kleine Raubkatze uns an, ihre Beute, eine Eidechse, noch im Maul. Dann löst sich ihre Erstarrung, sie huscht davon, ihr gestreift-gepunktetes Fell ist im Dschungel eine perfekte Tarnung.
    »Genial!«, flüstere ich Lindy glücklich ins Ohr und sie nickt. Wenig später kommen noch drei Capybaras vorbei, schäferhundgroße Nagetiere, die wie eine Kreuzung zwischen Riesenmeerschweinchen und Biber aussehen. Keine vier Meter von uns entfernt wühlen sie im Boden herum, doch leider wittern sie uns schon bald und ergreifen die Flucht. Ich bin trotzdem begeistert, denn diesmal hatte ich gerade das Nachtsichtgerät.
    Danach haben wir kein Glück mehr, und nach einer weiteren Stunde geben wir schließlich auf, weil die Ameisen uns allmählich nerven. Jetzt endlich können wir uns weiter unterhalten.
    »Was hat Falk denn nun gesagt?«, dränge ich Lindy.
    »Er hat gemeint: ›Du verfluchst den Falschen. Ich versuche, das in Ordnung zu bringen, was andere angerichtet haben. So gut ich nur irgendwie kann.‹ Dann ist er aufgestanden und gegangen. Am nächsten Morgen habe ich den anderen gesagt, dass ich dabei bin.«
    Ein seltsames Gefühl durchflutet mich – ich habe es zuletzt gespürt, als Falk diesen Leuten in der S-Bahn klar und ruhig die Meinung gesagt hat. Wie ein Echo kommt es jetzt zurück,

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