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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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letzte. Es ist das Einzige, was ich tun kann.«
    Ich nicke schweigend. Klar, durch Nachrichtensendungen, Dokus und Spielfilme habe ich von diesem Drogenkrieg etwas mitbekommen, aber das waren irgendwie nur Bilder, es war nicht real. Oder jedenfalls weit weg. Erst jetzt wird mir klar, was so etwas wirklich bedeutet. Ich versuche mir vorzustellen, wie sich Lindy gefühlt haben muss, wie es sich anfühlen würde, wenn mir so etwas passieren würde, aber ich schaffe es nicht, mein Gehirn blockiert. Wehrt sich mit aller Kraft gegen die furchtbaren Gedanken. Stattdessen denke ich lange über Lindys Worte nach. Jeden Tag leben, als sei es der letzte … vielleicht ist das etwas, was auch ich tun sollte. Oder jeder von uns.
    Am frühen Abend essen wir alle gemeinsam und alles ist wie sonst. Pancake reißt ein paar politisch absolut unkorrekte Witze; Lindy regt sich über ihn auf und überschüttet ihn mit einem Schwall spanischer Worte; Michelle weist darauf hin, dass wir bitte beim Umgang mit den Amphibien alle Sicherheitsregeln beachten sollen; Falk diskutiert mit Jonas über das Ökosystem Regenwald, und Jonas wird ganz lebhaft, seine Augen glänzen. Erst nach und nach wird mir klar, wie viel der Dschungel auch ihm bedeutet. Ich selbst rede wenig, höre viel zu. Es kommt mir völlig surreal vor, dass unser Leben im Camp weitergeht, als sei nichts passiert. Nur ich habe mich verändert, und es fällt mir schwer, das zu verbergen – wahrscheinlich bin ich als Verschwörerin schon aus diesem Grund unbrauchbar. Ich beobachte Pancake, Lindy und Michelle, versuche das, was ich heute über sie erfahren habe, in Einklang zu bringen mit den Menschen, die ich kennengelernt habe. Aus Pancake werde ich am wenigsten schlau. Anscheinend ist er sogar stolz darauf, dass er eine Krankheit entwickelt hat, die Menschen schaden kann.
    Und was ist eigentlich mit Jonas? Weiß er Bescheid? Wahrscheinlich nicht, in der Runde der Verschwörer war er ja nicht dabei. Anscheinend betrachten sie ihn aber als Kandidaten, der eingeweiht werden könnte. Ich muss unter vier Augen mit ihm reden, herausfinden, was in ihm vorgeht.
    An diesem Tag bin ich keinen Moment allein, immer ist einer der anderen in meiner Nähe. Ist das wirklich ein Zufall? Oder wollen sie mich unter Kontrolle halten? Vielleicht dient es aber auch nur dazu, mich aufzufangen, mich mit meinen Fragen und Zweifeln nicht alleinzulassen. Michelle sagt zu mir: »Cat, wenn du irgendetwas wissen möchtest, dann sind wir jederzeit da, okay?«
    »Okay«, sage ich, aber Michelle ist es nicht, der ich meine Zweifel anvertrauen möchte. Und Falk zeigt sich zwar liebevoller denn je, aber mein Kopf wird nicht klarer, wenn ich mit ihm rede. Seine Argumente kenne ich inzwischen.
    Nach dem Abendessen kommt Lindy zu mir, lächelt mich an. Ich frage mich, wie sie das überhaupt schafft, dieses Lächeln. Hat sie es erst wieder lernen müssen, nach dem Tod ihrer Familie? Vielleicht hat es Jahre gedauert.
    »Hörst du?«, fragt Lindy, blickt nach oben und neigt den Kopf, als würde sie lauschen. »Der Wald will, dass wir zu ihm kommen.«
    Noch ist die Sonne nicht ganz untergegangen, aber das nächtliche Konzert der Tiere hat schon begonnen. Ich höre einen Moment zu und spüre, wie neugierig ich auf diesen Wald bin, wie sehr ich ihn jetzt schon mag. »Dann sollten wir ihn nicht warten lassen«, sage ich und bin Lindy dankbar dafür, dass sie mich mitnimmt in ihr Reich, dass sie mir eine Eintrittskarte schenkt für diese magische Welt. Aber wird diese Eintrittskarte etwas kosten, gibt es sie nur deshalb, weil ich ein Wackelkandidat bin beim Projekt Last Hope?
    Lindy fragt die anderen nicht, ob sie uns begleiten wollen, sagt nur: »Wir machen noch eine Zählung bei der colpa. « Falk schaut kurz auf, lächelt mich an, vertieft sich wieder in seine Notizen. Pancake ist gerade in seinem Laborcontainer, ich mag nicht daran denken, was er darin macht.
    Erst als wir mit Taschenlampen und Fleece-Pullis auf einem Pfad unterwegs sind, entspanne ich mich langsam wieder. Dafür kommt mir der Gedanke, dass Lindy vielleicht noch etwas anderes bezweckt mit diesem Trip. Will sie vielleicht alleine mit mir reden? Schluss jetzt , rufe ich mich zur Ordnung. Wahrscheinlich ist sie einfach nur nett. Nicht jeder hat Hintergedanken bei dem, was er tut!
    Obwohl ich keine Ahnung habe, was eine colpa ist und wohin wir gehen, folge ich Lindy und versuche, mich genauso geschmeidig durch den nächtlichen Regenwald zu bewegen wie sie.

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