Schatten Des Dschungels
er.
»Aber was ist mit den Vögeln?«, ziere ich mich zum Schein.
»Halten sich mit den Flügeln die Augen zu.«
»Und die Frösche?«
»Werden dich schön finden.«
»So?« Jetzt kann ich mich nicht mehr beherrschen und muss auch lachen. »Na hoffentlich versucht keiner, mich zu küssen, damit ich mich in eine Froschprinzessin verwandele.«
Die Piranhas fallen mir erst später ein. Aber dass Falk sie nicht erwähnt hat, heißt vermutlich, dass ich mir wegen denen keine Sorgen machen muss.
Als wir am Fluss angekommen sind, geht gerade die Sonne auf. Ich ziehe mich schnell aus und stürze mich in das klare, colabraune Wasser. Ich bleibe nahe am Ufer, damit mich die Strömung nicht zu weit flussabwärts schwemmt, und beobachte, wie mein Freund sein Hemd über einen Busch hängt. Falk hat die Figur eines Olympiaschwimmers, scheint aber nicht zu wissen, wie gut er aussieht. Oder es interessiert ihn einfach nicht. Jedenfalls ist er einer der uneitelsten Menschen, die ich kenne.
Als er nackt auf einem Stein hockt und über den Fluss hinausblickt, wirkt er zum ersten Mal seit der missglückten Mission zwar nicht fröhlich, aber immerhin ausgeglichen. »Ist noch ’ne Ecke schöner hier als an der Isar«, sagt er, richtet sich auf und taucht mit einem sauberen Kopfsprung in den Mazaruni River.
Seite an Seite kraulen wir durch den Fluss, und ich drehe mich übermütig im Wasser wie einer der Riesenotter, von denen leider nur noch wenige in Guyana leben. Falk taucht, kommt wieder zum Vorschein und schüttelt seine Haare wie ein nasser Hund. Ich tunke ihn unter, aber er ist viel stärker als ich; ehe ich es mich versehe, bin ich diejenige, die untergetaucht wird.
Ich mache mich daran, meine Haare mit biologisch abbaubarem Shampoo zu waschen. Erst als wir wieder ans Ufer klettern, kehren die düsteren Gedanken an Last Hope und den Fehlschlag zurück. Entschlossen schiebe ich sie noch einmal weg und küsse Falk.
Aber die Luft ist um diese Zeit kühler als das Wasser, ich fange an zu bibbern und eine Gänsehaut zieht sich über meinen Körper. Falk schlingt die Arme um mich, um mir etwas von seiner Wärme abzugeben.
»Weißt du noch, damals bei der Demo?«, fragt er plötzlich.
»Na klar weiß ich das noch«, murmele ich gegen seine Brust, eine Schwinge des Seeadler-Tattoos ist direkt neben meiner Wange. Ich habe keine Ahnung, wie er jetzt gerade auf die Demo kommt, aber es ist mir auch eigentlich egal, ich will einfach nur bei ihm sein.
»Es hat mir gefallen, dass du einen kühlen Kopf behalten hast damals«, flüstert er mir ins Ohr. »Und gestern … ich glaube, du warst von uns dreien am ruhigsten.«
»Gar nicht wahr. Du warst der Ruhigste.«
»Das sah nur so aus.«
»Bei mir auch.«
»Na, dann ist es ja okay«, sagt er und wir müssen wieder lachen. Falk küsst mich, ich erwidere seinen Kuss, und bevor wir es uns versehen, ist uns wieder warm. Wir lieben uns gleich dort am Ufer, und keiner von uns ahnt, dass es das letzte Mal ist.
Die Angst, dass die fremden Forscher uns finden werden, verlässt mich den ganzen Tag lang nicht, und ich ahne, dass es den anderen ähnlich geht. Alle wirken angespannt. Obwohl wir versuchen, zu unseren wissenschaftlichen Aufgaben zurückzukehren, kann ich mich kaum darauf konzentrieren. Immer wieder gibt es Streit – Michelle macht Pancake fast ohne Grund zur Schnecke, er ätzt zurück. Jonas meckert über die Ausstattung der Feldküche, und Michelle fordert ihn sarkastisch auf, eine schriftliche Beschwerde zu schreiben. Falk und Lindy streiten sich über irgendeine wissenschaftliche Frage und ignorieren sich anschließend.
Und dann, am Nachmittag, fängt Lindy an, sich immer öfter im Gesicht zu kratzen. »Verdammt, hoffentlich habe ich mir keine Parasiten eingefangen, jedenfalls juckt es höllisch«, meint sie und lacht nervös auf.
Michelle, Pancake und Falk tauschen einen Blick. Mir kommt es so vor, als sei Pancake ziemlich blass um die Nase. Man muss keine Hellseherin sein, um draufzukommen, dass der Juckreiz ein Symptom des Hautpilzes ist.
Am Abend hat Lindy Schmerzen beim Schlucken und auf ihrer Mundschleimhaut sind tiefrote Flecken. »Sieht aus wie eine fiese Halsentzündung«, sage ich mitleidig. »Tut’s weh?«
»Geht so – vor allem juckt es«, sagt Lindy unglücklich. »Am Mund, an der Nase und an den Augen. Ich würde mich so gerne kratzen, aber das würde alles bestimmt noch schlimmer machen.« Sie lenkt sich ab, indem sie sich in einen mitgebrachten
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