Schatten Des Dschungels
könnte es sein, in meinen Klamotten? Nee, das hätte ich gemerkt. Höchstens in meinen Schuhen, aber die hatte ich eigentlich immer bei mir.
Ich kippe meinen Rucksack aus, zerre alles heraus, was darin ist, und kann nur hoffen, dass der Copter noch lang genug auf der anderen Seite des Baumes sucht. Ist der Sender im Erste-Hilfe-Pack? In meinen Rationen? In denen bestimmt nicht. Es muss der verdammte Rucksack selbst sein. Ich habe ihn für die Reise von Living Earth geschenkt bekommen, wir alle haben den gleichen. Meinen habe ich mit einem Katzenanhänger und ein paar Buttons gekennzeichnet. Keine Ahnung, wo daran ein Sender sein könnte. Aber dafür habe ich eine Idee, wie ich vielleicht den Spieß herumdrehen könnte. Ich brauche nur ein paar Sekunden Zeit – aber habe ich die? Jeden Moment kann der Copter auf meine Seite des Baumes schwenken.
Der Wald lässt mich nicht im Stich. Es raschelt und knackt in der Krone des Nachbarbaumes, der Kinkajou macht sich bemerkbar bei seiner Suche nach fressbaren Früchten. Ich höre, wie der Quadrocopter höher steigt. Anscheinend hat Falk den Kleinen mit der Infrarotkamera entdeckt – und weil er die Tiere des Regenwaldes genauso faszinierend findet wie ich, will er ihn sich aus der Nähe anschauen.
Das ist meine Chance. Mit der Machete hacke ich mir aus dem herumliegenden Holz einen Speer zurecht. Außerdem suche ich mir einen schweren Ast, der als Knüppel dienen kann. Dann schleudere ich den Rucksack von mir weg – er plumpst etwa drei Meter von mir entfernt zu Boden. Gut!
Jetzt muss ich warten, ob der Quadrocopter den Köder annimmt. Wenn es wirklich einen Peilsender gibt, dann hat der Copter garantiert ein Gerät an Bord, mit dem er den Sender orten kann.
Das Geräusch der Rotoren kommt jetzt wieder näher. Ich warte hinter dem Stamm, in der einen Hand den Knüppel, in der anderen Hand den Speer. Auf einmal ist meine Angst weg, mein Mund verzieht sich zu einem Grinsen, das fast ein Zähnefletschen ist. Jägerin zu sein fühlt sich gut an.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass der Copter sich ganz langsam dem Rucksack nähert. Es funktioniert! Leise umrunde ich den Baum, sodass ich mich der Maschine von hinten nähern kann. Dann gleite ich hinter dem Stamm hervor, wage mich aus der Deckung. Zum ersten Mal sehe ich den Quadrocopter richtig, seinen quadratischen Rumpf mit den im Drahtkäfig flirrenden Rotoren. Er schwebt in etwa einem Meter Höhe auf der Stelle, all seine Kameras sind auf den Fund gerichtet. Jetzt muss ich schnell sein. Wenn Falk auf die Idee kommt, den Copter um die eigene Achse zu drehen, ist es aus.
Mit wenigen Schritten bin ich bei der Maschine und lasse den Knüppel auf sie niedersausen. Doch der Copter taumelt nur etwas, als die automatische Steuerung versucht, die Maschine abzufangen. Mist!
Wahrscheinlich hat Falk keine Ahnung, was gerade passiert ist. Noch weiß er nicht, ob ich wirklich hier bin, er hat ja nur meinen Rucksack gefunden. Um mich nicht zu verraten, lasse ich den Knüppel über die Kameras rutschen, so als sei bloß ein abgebrochener Ast auf die Maschine gefallen. Jetzt habe ich nur noch eine Chance – meinen Speer. Mit aller Kraft ramme ich ihn durch die Zwischenräume des Drahtkäfigs. Splitter fliegen umher, als die Rotoren auf Holz treffen. Der Copter kippt zur Seite weg, kracht mit seinem ganzen Gewicht auf den Boden und rutscht mit einem Aufheulen seiner Motoren unter eine großblättrige Pflanze. Dann liegt er still, nur die kaputten Rotorblätter schleifen noch ein wenig gegen den Draht ihres Schutzkäfigs. Fast schon ungläubig schaue ich zu. Es ist eine ziemlich große Beute, die ich erlegt habe. Wie durch ein Wunder habe ich keine Splitter abbekommen. Jetzt hole ich besser mal mein Zeug und mache mich wieder auf den Weg.
Doch dann merke ich, dass sich der Quadrocopter beim Stürzen gedreht hat. Seine Kameraaugen – gewölbt und schillernd wie die einer Stubenfliege – starren unter der Pflanze hervor und mir direkt ins Gesicht. Erschrocken weiche ich zurück, aber es ist schon zu spät. Wild surrt der einzige unbeschädigte Rotor auf, und mir wird klar, dass Falk mich gesehen hat.
Ich weiche zurück – einen Schritt, zwei Schritte. Mein Körper kribbelt. Am liebsten würde ich losrennen, weg von diesem unirdischen, starren Blick, der nichts zu tun hat mit dem Mann, den ich liebe. Aber ich zwinge mich, erst noch meine Ausrüstung einzusammeln; ohne diese Sachen kann ich im Dschungel nicht überleben.
Außer
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