Schatten Des Dschungels
Ahnung, wie sie sich orientiert.«
Jetzt gehen die beiden wahrscheinlich ganz in der Nähe entlang. Dort, wo ich erschöpft und hungrig so viele Spuren hinterlassen habe wie sonst wohl nirgendwo auf meiner Route. Ich starre in den Wald, warte darauf, dass Falk die Abdrücke findet, dass er jetzt gleich hinter dem Rand dieser Brettwurzel auftaucht und mich verblüfft anblickt. Es gibt nichts, was ich dagegen tun kann, und deswegen darf ich es mir wünschen.
Ich höre, wie Falk durchatmet. »Ich glaube, du unterschätzt Cat«, sagt er.
Du unterschätzt Cat.
In diesem Moment weiß ich, dass ich ihn nicht rufen werde. Wenn ich mich jetzt stelle, nur um bei ihm zu sein, dann verliere ich alles. Dann wird Falk doppelt enttäuscht sein – weil ich geflohen bin und weil ich schwach war.
Wenn ich durchhalte, bleibt mir wenigstens noch sein Respekt.
Ich werde es schaffen. Ihnen entkommen. Last Hope auffliegen lassen. Erleichtert spüre ich, wie meine Entschlossenheit zurückkehrt.
Die Stimmen werden leiser, meine ehemaligen Freunde haben meine Spuren nicht gefunden. Als sie außer Sicht- und Hörweite sind, wechsele ich wieder einmal die Richtung, gehe mit langen Schritten nach Norden. »Na also. Braves Mädchen«, brummt der Troll und mir bleibt der Mund offen stehen. Hätte Falk jemals so etwas zu mir gesagt, hätte er sich eine Ohrfeige gefangen.
»Mieser kleiner Grünling«, schieße ich zurück. »Nenn mich noch einmal braves Mädchen und du findest dich auf dem Grund irgendeines Sumpfes wieder!«
Er grinst mich an und ein Troll wie er schafft das locker von einem Ohr zum anderen. »Irre ich mich oder brauchst du den virtuellen Kompass noch?«
»Schnauze, Sam.« Ich schalte ihn einfach ab.
Meine Wasserflasche ist leer, wieder einmal, und diesmal ist kein Bach in Sicht. Aber Lindy hat mir ja gezeigt, was ich in dieser Situation tun kann. Ich kappe eine Liane und trinke das klare Wasser, das herausrinnt.
Ich wünschte, Falk und Michelle hätten über Lindy gesprochen. Ob es ihr schon wieder besser geht? Oder ist sie womöglich blind geworden? Liegt sie im Sterben? Nein, das kann nicht sein, das darf nicht sein!
Mit aller Kraft verbanne ich die Gedanken, ich darf jetzt an nichts Weiteres denken als an die Flucht. Jetzt weiß ich, wo die anderen sind, aber sie wissen nichts mehr über mich. Ich habe eine Chance, davonzukommen. Das Wissen gibt mir Kraft, mit neuer Energie arbeite ich mich durch den Dschungel. Bei Tageslicht wirkt er viel freundlicher und vertrauter, ich habe keine Probleme, meinen Rhythmus zu finden, und danke Lindy im Stillen für das, was sie mich gelehrt hat. Ohne sie wäre ich nicht einmal bis hier gekommen.
Abwesend kratze ich mich am Ohr. Dann juckt es mich im Gesicht … und diesmal durchläuft es mich kalt. Juckreiz. Das erste Symptom dieses Hautpilzes. Großer Gott, habe ich mich angesteckt? Ein Wunder wäre das eigentlich nicht. Ich habe ja oft genug an Lindys Hängematte gesessen und manchmal habe ich ihr auch die Stirn gekühlt und ihr etwas zu trinken gegeben. Mit Handschuhen, klar, aber wer weiß, wie infektiös dieser verdammte Pilz ist. Zeitlich würde es passen, soweit ich weiß, bricht die Krankheit nach etwa zwei Tagen aus.
Die Haut an meinem Nacken beginnt zu kribbeln. Eigentlich wollte ich vor der Krankheit warnen – was ist, wenn ich sie stattdessen weitertrage? Einen Spiegel habe ich nicht, um meinen Rachen zu überprüfen; stattdessen taste ich nervös mein Gesicht und die Innenseite meines Mundes ab. Keine Schmerzen dort. Bisher. Nur zur Sicherheit untersuche ich meinen ganzen Körper nach verdächtig geröteten Stellen. Ja, da unter meinen Achseln sind welche, aber das liegt vermutlich daran, dass ich mir bei der Flucht die Haut am T-Shirt aufgescheuert habe. Außerdem fische ich mir eine winzige Spinne aus dem Kragen – wenigstens das Kribbeln an meinem Nacken hatte eine andere Ursache. Abwarten, versuche ich mich zu beruhigen, ich muss einfach abwarten. Dann weiß ich mehr.
Am späten Nachmittag höre ich wieder etwas Verdächtiges, das dumpfe Flappen eines großen Hubschraubers. Vielleicht haben sie irgendwelche Rettungskräfte aus Georgetown zu Hilfe gerufen, um mich – die Vermisste! – zu finden. Oder lassen sie Lindy ausfliegen in ein Krankenhaus mit Quarantänestation? Das wäre eine gute, logische Lösung, aber irgendwie glaube ich nicht daran.
Nur für den Fall, dass die Hubschrauberbesatzung eine Methode hat, mit der sie durch das Kronendach
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