Schatten Des Dschungels
weitergehe, höre ich Zweige knacken und Laub rascheln. Einen Moment lang bleibe ich erschrocken stehen. Das war sehr nah! Doch dann knackt es noch einmal, und ich merke, das Geräusch kommt von oben. Ich hebe den Kopf und zoome die Äste und Blätter mit der Optik des Nachtsichtgerätes heran. Aus einem Versteck hoch oben im Baum späht ein pelziges Wesen mit einem Greifschwanz und großen Augen auf mich herab. Ein Kinkajou, auch Wickelbär genannt. Es flieht nicht vor mir und ich fühle mich seltsam getröstet davon. Wie schön, dass ich hier nicht allein bin.
Aber dann höre ich noch ein anderes Geräusch – eins, das ich nur zu gut kenne. Es ist das Surren des ferngesteuerten Quadrocopters. So wie es klingt, ist er unterhalb des Kronendachs und nicht allzu weit entfernt.
Nackte Panik quillt in mir hoch. Nein, ich bin tatsächlich nicht allein. Wieso habe ich mir eigentlich eingebildet, sie würden mir zu Fuß folgen? Der Quadrocopter kommt doch zehnmal schneller voran. Ich hätte das Teil demolieren müssen, verdammter Mist, wie konnte ich das nur vergessen? Es hat eine beschissene Wärmebildkamera an Bord! Selbst in der Dunkelheit können der Quadrocopter und sein Pilot mich aufspüren, als Gestalt aus bunten Falschfarben, die verzweifelt davonläuft und doch längst geortet worden ist.
Duell
Eine Gänsehaut überzieht meine Arme, als ich daran denke, dass Falk jetzt gerade im Camp an der Fernsteuerung sitzt. Ich kann ihn fast vor mir sehen – seine Augen sind hinter der Datenbrille verborgen, es wird ihm vorkommen, als sei er hier. Wie er sich wohl fühlt, während er den Quadrocopter zwischen den Stämmen hindurchmanövriert? Wütend, traurig, frustriert? Trotzdem brauche ich nicht darauf zu hoffen, dass er den Copter versehentlich gegen einen Stamm knallt und das Ding beschädigt liegen bleibt. Ich weiß, wie lange er im Perlacher Forst geübt hat, und dort stehen die Bäume noch viel enger als hier. Außerdem erkennt der Copter Bäume selbst und weicht ihnen automatisch aus.
Meine Augen brennen, als ich an Falk denke, aber mein Vorrat an Tränen scheint aufgebraucht zu sein. Ich bin einfach nur entschlossen, mich nicht entdecken zu lassen. Mit zwei Schritten bin ich beim nächsten Baum und ducke mich dahinter; seine Wurzeln winden sich wie grünbraune, erstarrte Riesenschlangen über den Boden. Gleichzeitig halte ich Ausschau nach Steinen, die als Waffe taugen würden. Am Ufer des Mazaruni River lagen jede Menge herum, aber hier sind sie leider Mangelware.
Es wird gerade hell, endlich kann ich das sperrige Nachtsichtgerät absetzen und mich wieder auf meine eigenen Augen verlassen. Noch ist der Quadrocopter nicht in Sicht, ich weiß nicht, aus welcher Richtung er kommt. Wo ist das Ding? Ich strenge meine Ohren an und lausche wie ein Reh in der Jagdsaison auf alle Geräusche, die nicht hierhergehören.
Links. Er kommt von links, glaube ich.
Rasch schiebe ich mich um den Stamm herum, sodass ich nicht in sein Kamerabild gerate. Wenn ich immer auf der abgewandten Seite bleibe, dann sieht er mich nicht.
Lauter und lauter höre ich das Surren, der Copter wird ganz in der Nähe vorbeikommen. Ich halte mich ein Stück von der hellen, glatten Rinde des Baumes fern, damit ich keine Wärmespuren darauf hinterlasse. Kann die Infrarotkamera eigentlich auch frische Fußspuren erfassen? Bestimmt nicht, denn ich bin ja nicht barfuß gelaufen. Davor hat mich Lindy schon am ersten Tag gewarnt: Es gibt am Boden zu viele Parasiten, die sich durch die Haut bohren können.
Doch das Geräusch des Quadrocopters entfernt sich nicht mehr, im Gegenteil, es wird lauter. Beunruhigt strenge ich meine Ohren an, schiebe mich um den Stamm herum. Was macht dieses verdammte Ding? Es scheint Kreise zu ziehen. Hat Falk irgendetwas bemerkt, habe ich doch eine Spur hinterlassen?
Irgendwie ist es ein komischer Zufall, dass der Quadrocopter genau hier vorbeikommt und herumsucht. Der Dschungel ist gewaltig, und ich habe mein Bestes getan, in diese Weite einzutauchen. Seit Stunden bin ich schon unterwegs, ich habe sicher ein paar Kilometer zurückgelegt. Eigentlich ist es nicht nur ein komischer, sondern ein unglaublicher Zufall, dass der Copter jetzt genau hier herumschwirrt.
Aber was, wenn es kein Zufall ist?
Mit einem Schlag wird mir klar, dass die anderen mir möglicherweise einen Peilsender untergeschoben haben. Haben sie mir von Anfang an misstraut? Egal jetzt, ich muss das Ding finden, nur das ist im Augenblick wichtig. Wo
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