Schatten des Schicksals
seiner Augen, die jetzt geschlossen waren.
Würden sie sich jemals wieder öffnen?
Als Earth Woman zurückkehrte, wischte Sabrina hastig die Tränen von ihren Wangen.
»Für Trauer, Angst oder Liebe muss man sich nicht schämen«, beteuerte Earth Woman und kniete wieder neben ihr nieder. »Lassen Sie sich vom weißen Mann nichts anderes einreden. Hin und wieder müssen alle Menschen weinen.«
Sabrina nickte und dankte ihr stumm. Innerhalb weniger Minuten hatte Earth Woman alles geholt was sie brauchte, um die Wunde an Sloans Arm zu nähen. Merkwürdigerweise wollte sie diese Aufgabe Sabrina überlassen. Sie zeigte ihn, wie man ein Pferdehaar in eine Nadel fädelte, und wie man die Wundränder zusammennähen muss te.
Entschlossen bekämpfte Sabrina das schlimme Zittern ihrer Finger und ging mutig ans Werk. Danach bestrich Earth Woman alle Wunden mit einer Salbe und erklärte, sie würde aus Flussschlamm und zermahlenen Wurzeln bestehen. Schon viele Krieger seien damit geheilt worden.
Ein Medizinmann kam ins Zelt. Seinen seltsamen Riten vertraute Sabrina nicht so sehr wie Earth Womans Hilfe. Aber sein Besuch verriet ihr, dass die Sioux Sloans Leben erhalten wollten, und das beruhigte sie.
Schließlich verließ er das Zelt. Auch Earth Woman erhob sich. »Heute nacht finden zeremonielle Tänze statt, bei allen Stämmen, und ich möchte sehen, was geschehen wird. Viele junge Krieger werden den Selbstmordeid leisten und geloben, bis zum letzten Atemzug gegen die Weißen zu kämpfen. Passen Sie gut auf Cougar-in-the-Night auf, Sabrina. Vielleicht werden wir das Lager morgen an einem anderen Ort aufschlagen.«
»Aber Sloan würde eine Reise nicht verkraften«, protestierte Sabrina.
»Unsere Verletzten sind stets durch die Wildnis befördert worden«, erwiderte Earth Woman, neigte sich hinab und berührte Sloans Wange. »Und er ist stark - stärker als die Sioux, stärker als die Weißen. Stark genug, um das Beste beider Völker in sich zu vereinen. Ich glaube, das Große Geheimnis wird ihn stets begleiten und sicher durchs Leben führen.«
Mit diesen Worten trat Earth Woman in die Nacht hinaus, und Sabrina konnte nichts weiter tun, als während langer dunkler Stunden neben Sloan zu sitzen, seine Stirn zu kühlen, auf mögliche Anzeichen eines Fiebers zu achten und zu beten, er möge am nächsten Morgen noch leben.
In den Wolf Mountains ragen Krater empor, die den Namen Crow's Nest tragen. Manche behaupten, so würden sie heißen, weil die Crow dort Zuflucht finden, wenn sie ihre Pläne schmieden, um den Sioux Pferde zu stehlen. Andere wiederum sagen, diese Krater würde einem Krähennest gleichen.
Am frühen Morgen erreichten Lieutenant Charles Varnum und seine Crow-Späher das Crow's Nest. Bis zum Sonnenaufgang rasteten sie, dann stiegen sie zu einem hohen Gipfel hinauf und blickten ins weite Tal. Varnum sah nichts. Aber die Crow zeigten auf ein Wäldchen und den Fluß, auf einen Fleck, in dem sie mehrere Ponys erkannten. Sie erklärten dem Lieutenant, er dürfe nicht nach Pferden Ausschau halten, sondern nach Würmern. Da sah er die Bewegung und schickte einen Kurier zu Custer.
Während Custer seine nächste Aktion plante, stellte sich heraus, dass ein Wagen mit mehreren Kisten Schiffszwieback beladen, verschwunden war. Als die Soldaten ihn entdeckten, ertappten sie einen Indianer, der gerade eine Kiste aufbrach. Blitzschnell ergriff er die Flucht, und sie folgten ihm, vergeblich.
In weiter Ferne entdeckten zwei Sioux-Reiter die Truppen. Varnum und andere Soldaten folgten ihnen. Auch diese Indianer entkamen. Custer unterteilte seine Siebente in drei Bataillone.
Eines befehligte er selbst - die Kompanien C, E, F, I und L - etwa zweihundertfünfundzwanzig Mann. Major Reno kommandierte die Kompanien A, G und M, Captain Benteen die Kompanien D, H und K
Nur Captain Thomas McDougalls Truppe blieb zurück, da sie nicht so schnell vorgerückt war wie die anderen. Nun muss te sie die blamable Pflicht erfüllen, die Proviantwagen zu bewachen. Aber die meisten dieser Soldaten überlebten den blutigen Krieg.
Benteen ritt mit seinen Kompanien nach links, über zerklüftetes Terrain, Reno und seine Soldaten wurden über den Fluss geschickt und eröffneten die Offensive. Am anderen Ufer ritten sie in ein Hunkpapa-Lager. Sie sahen nicht, dass sich hinter den ersten Zelten ein drei Meilen langes Camp erstreckte. Bald sollten sie ihren schweren Fehler erkennen ...
Kapitel 22
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