Schatten des Schicksals
anderen. Nach langen schweren Zeiten wieder vereint, sahen die beiden glücklich und zufrieden aus. Beklemmend glücklich, dachte Sabrina. Genauso innig liebten sich ihre Schwester und Hawk.
Auch Shawnas Onkel und ihre Vettern nahmen an der Mahlzeit teil. Soweit Sabrina das beurteilen konnte, wussten sie nichts von ihrem >delikaten Zustand<, wie sich die feine Gesellschaft auszudrücken pflegte. Alle Bewohner von Craig Rock wirkten froh und erleichtert, nachdem die Gefahr gebannt und der Laird ins Schloss zurückgekehrt war, und so herrschte eine heitere Atmosphäre am Tisch.
Trotzdem spürte Sabrina die seltsamen Blicke der Menschen, die von ihrer Schwangerschaft erfahren hatten.
Ihr Schwager runzelte verwirrt und ärgerlich die Stirn. Vermutlich glaubte er, Sloans Indianerblut würde sie daran hindern, ihn zu heiraten. Das schien sein Bruder, David Douglas, ebensowenig zu begreifen. Schuldbewusst senkte Shawna den Kopf, weil sie das Geheimnis, wenn auch unabsichtlich, verraten hatte. Und Skylar starrte ihre Schwester vorwurfsvoll an. Sloan bedeutete ihr sehr viel, und sie verstand beim besten Willen nicht, warum Sabrina sich so hartnäckig weigerte, seine Frau zu werden.
Am liebsten wäre Sabrina in ihr Zimmer geflohen. Doch ein so unhöfliches Verhalten durfte sie Shawnas nichtsahnender, liebenswürdiger Familie, die ihr sehr freundlich begegnete, nicht zumuten. Alistair, ein attraktiver, temperamentvoller Vetter, begann sogar mit ihr zu flirten. Davon schien Sloan nichts zu bemerken. Sie lachte über die Schmeicheleien des jungen Schotten, bis ihr Sloans prüfender Blick auffiel. Vielleicht überlegte er, wann sie ihrem Verehrer mitteilen würde, dass sie ein Baby erwartete.
Aber dann schaute er weg. Shawnas älterer Vetter, Aidan MacGinnis, fragte Hawk und Sloan nach dem Sioux-Problem im amerikanischen Westen. Offenbar verstand er nicht warum zwei Völker keine Möglichkeit fanden, in einem so großen Land friedlich zusammenzuleben.
»So groß das Land auch sein mag«, erklärte Sloan, »die Weißen beanspruchen immer mehr Grund und Boden. Von den Familien bedrängt, die von der Ostküste ins Landesinnere kamen, zogen die Sioux vor kurzem in den fernen Westen. jedes Jahr rückten die Weißen noch weiter vor, und das Gold, das in den Black Hills gefun den wurde, lockt immer mehr Siedler an. Außerdem ist die Koexistenz zweier völlig verschiedener Lebensweisen schwierig. «
»Die meisten unserer jungen Burschen sind nach Amerika ausgewandert um Gold zu suchen«, seufzte Gawain MacGinnis, Shawnas Großonkel. »Deshalb gibt's hier in Schottland gutes Land zu kaufen. Und Sie haben Freunde unter uns gefunden, Sloan.«
»Danke für Ihren Vorschlag, Gawain, aber ich muss nach Hause fahren, zu meiner Familie.«
»Meinen Sie eine weiße oder eine indianische Familie?« fragte Alistair.
»Beides.«
»Also haben Sie sehr viele Verwandte?«
Sloan nickte. »Bei den Sioux bilden die Bewohner eines Lagers eine Gemeinschaft, die dem schottischen Clan gleicht. Ich war sehr gern im Hochland. Nun muss ich herausfinden, was während meiner Abwesenheit zu Hause geschehen ist. Morgen früh trete ich die Heimreise an.«
Zu ihrem Entsetzen erschrak Sabrina so heftig, dass sie ihre Finger um den Stiel ihres Weinglases krampfte und das kostbare Kristall zerbrach. Alle Blicke richteten sich auf sie. Erschrocken sprang Skylar auf und rannte zu ihrer Schwester. »Mein Gott, du blutest!«
»So schlimm ist es nicht«, versicherte Sabrina. »Wie ungeschickt von mir! Entschuldigt mich, ich will in mein Zimmer gehen und meine Hand waschen. « Eine Serviette um die Wunde geschlungen, stand sie auf.
Sloan wirkte kein bisschen besorgt. Er erbot sich auch nicht ihr zu helfen. Ebenso wie die anderen Männer erhob er sich höflich, während sie aus der Halle flüchtete.
In ihrem Schlafzimmer goss sie frisches Wasser in die Waschschüssel, reinigte den blutenden Schnitt und fluchte leise, als er schmerzte. Dann wickelte sie ein sauberes Taschentuch um ihre Hand und begann umherzuwandern. Sloan würde abreisen und vorerst- verschwinden, aber zweifellos zurückkehren, wenn sein illegitimes Kind geboren war. Stöhnend sank sie aufs Bett.
Im selben Augenblick klopfte es an der Tür, und eine erboste Skylar eilte herein. »Was treibst du eigentlich?«
»Ich kümmere mich um meine Verletzung.«
»Das meine ich nicht. Ich rede von Sloan.«
»Offensichtlich will er in die Staaten fahren.«
»Und das stört dich nicht?«
»Kein bisschen.
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