Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
Vom Netzwerk:
einer war. Als er vor ein paar Wochen hier war, hat er es mir verraten und mich gebeten, es niemandem zu erzählen.«
    »Warum?«
    »Er hat es nicht begründet. Aber es war ihm wohl peinlich. Und dann hat er am Abend vor den anderen seine Show abgezogen, und das war mir peinlich. Am liebsten hätte ich gesagt, dass er Bulle ist. Einfach, damit er aufhört mit der Angeberei. Aber ich hab's natürlich nicht getan. Ossi war, Entschuldigung, ein armes Schwein, und wahrscheinlich ist er das immer gewesen.«
    »Aber irgendetwas außer Mitleid wird dich ja veranlasst haben, mit ihm zusammen zu sein.«
    »Ich bin auf ihn hereingefallen. Er hatte eine große Klappe, aber auch Charme. Und wenn ihm etwas wichtig war, hat er sich reingehängt. Das weißt du doch so gut wie ich.«
    »Ich glaube, dass er erst zum armen Schwein wurde. Er ist gescheitert, wahrscheinlich schon, als er das Jura-Examen geschmissen hat. Und seitdem war es bergab gegangen. Nicht in Wirklichkeit, aber er hat es sich eingebildet. Und es kommt darauf an, was Menschen sich einbilden.«
    Sie trank und schwieg. Ihre Augen zeigten, sie war weit weg mit ihren Gedanken, wohl in der Vergangenheit.
    »Und sonst weißt du nichts über den Thingstättenmord?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er spürte die Enttäuschung. Als sie ihn angerufen hatte, glaubte er, nun endlich etwas zu fassen zu bekommen.
    »Aber ich weiß, wer dir vielleicht weiterhelfen kann. Erinnerst du dich an Adi?«
    Er überlegte. Adi, ja, da tauchte ein Gesicht auf in seiner Erinnerung. Kleine Augen in einem feisten, immer unrasierten Gesicht, darüber lange, schwarze, klebrige Haare und eine breite Nase, übersät mit roten Pickeln. »Ja«, sagte er.
    »Adi war überall dabei. Er gehörte zu keiner Gruppe, hielt sich aber für den größten Revolutionär von allen. Irgendwie haben alle ihn ertragen. Manchmal bettelte er oder lag bei den Pennern unter der Brücke.«
    »Und mich hat er manchmal in der Mensa angebaggert, weil er Essensmarken abstauben wollte. Der hat nie studiert, war so eine Art Faktotum der Studentenbewegung oder von dem, was davon übrig geblieben war. Er lebte davon, dass er was zugesteckt bekam.«
    »Genau«, sagte Katharina. »Und weil der seine Nase überall reingesteckt hat, kannte er so ziemlich jeden. Der ist doch immer im CA rumgelungert, bis die Bullen das geräumt haben. Zeig dem mal die Fotos.«
    »Den gibt's noch?«
    »Hin und wieder sieht man ihn. Aber wo der wohnt, keine Ahnung. Klapper doch mal die Orte ab, wo die Penner sich rumtreiben.«
    »Und wo tun die das?«
    »Wenn du ein, zwei Tage rumläufst, wirst du schon einen finden. Das ist nicht mehr wie früher, wo sie überall waren. Und wenn du einen findest, fragst du ihn nach Adi.«
    Stachelmann spürte den Druck. Eigentlich musste er nach Hause fahren, sich um seine Mutter kümmern, aber jetzt bot sich ihm doch ein Zipfel, an dem vielleicht etwas hing, wenn er zog. Es kam ihm idiotisch vor, durch die Stadt zu laufen, um Penner zu suchen, aber Katharina hatte Recht. Und so hatte die Polizei gewiss nicht ermittelt, weshalb seine Chance vielleicht nicht geringer war als die der Kripo. Also gleich nach dem Frühstück würde er losziehen und suchen. Das schlechte Gewissen quälte ihn, aber er musste es tun.
    »Kannst du dir vorstellen, dass Ossi irgendetwas zu tun hatte mit dieser Thingstättensache?«
    »Das hast du mich gerade eben schon mal gefragt.«
    »Ich meine, wo war der damals, bevor ich nach Heidelberg kam?«
    »Der ist ziemlich herumgegeistert. Er war bei den Juristen in der Institutsgruppe, dann kurz mal in so einem Psychoverein. Ganz seltsame Truppe, die erklärte, nicht die Kranken seien krank, sondern die kapitalistische Gesellschaft, die folglich zerschlagen werden müsse. Wenn ich mich richtig erinnere, war dieser Lehmann auch in dieser Gruppe.«
    »Eigentlich haben die gedacht wie wir«, erwiderte Stachelmann. »Sie haben die Verrücktheit nur auf die Spitze getrieben.«
    »Du hast die nicht kennen gelernt. Sonst würdest du das nicht sagen.«
    »Meinetwegen. Was machte Ossi bei denen?«
    »Ich glaube, ihn zog deren Absolutheit an. Sie hatten ein fest umrissenes Weltbild, in das alles hineinerklärt wurde. Und was nicht hineinpasste, das gab es nicht. Die haben sich eine eigene Wirklichkeit geschaffen, die in sich widerspruchsfrei war. Die hatten sogar eine eigene Sprache. Ein paar von denen haben sich später in der Terrorszene verirrt. Beim Anschlag auf die BRD-Botschaft in Stockholm war mindestens

Weitere Kostenlose Bücher