Schatten des Wolfes - Schatten des Wolfes - Cry Wolf (Alpha & Omega 1)
wehtun würde.«
Es passte, dachte Charles, obwohl es die Sache nur komplizierter machte. Nur ein anderer Werwolf konnte einen Menschen infizieren. Aber er war sicher, dass die Spuren der Bestie verschwunden waren, sobald sie außer Sicht war.
Das Geräusch von Charles’ Stimme genügte, um den Mann den Blick ruckartig von Anna losreißen zu lassen. Er wusste, wer hier die größte Gefahr darstellte.
»Ich wollte ihn sterben lassen. Den Studenten, meine ich«, sagte der andere und bestätigte damit Charles’ Theorie darüber, was er war. »Ein Unwetter kam auf, und es hätte ihn wahrscheinlich umgebracht, wenn er noch in der Wildnis geblieben wäre. Die Berge hier verlangen Respekt,
oder sie fressen dich zum Frühstück.« Er hielt inne. »Es zieht wieder ein Unwetter auf.«
»Warum hast du also nicht zugelassen, dass der Werwolf ihn umbringt?«, fragte Anna.
»Na ja«, sagte der Mann und starrte lieber seine Füße an als Anna. »Durch ein Unwetter zu sterben oder nach einem Bärenangriff... so was passiert.« Er hielt inne, denn es fiel ihm offenbar schwer, auszudrücken, worin der Unterschied bestand.
»Aber der Werwolf gehörte hier nicht hin«, sagte Charles, der plötzlich eine Ahnung bekam, wieso es so schwer war, diesen Wolf zu erkennen und wieso er keine Vorwarnung seines Angriffs erhalten hatte. Seine Kleidung sah aus, als lebte er hier schon sehr lange.
»Diese Bestie ist böse. Und sie hat mich auch zu einem Ungeheuer gemacht«, flüsterte der Mann.
Wenn Charles einen Sekundenbruchteil schneller gewesen wäre, hätte er Anna zurückhalten können. Aber er war müde und hatte sich auf den anderen Wolf konzentriert. Bevor er es noch wusste, war Anna dabei, den Hang hinunterzurutschen. Sie hatte es eilig, und etwa vier Schritte von ihrem neuen Bekannten entfernt fingen ihre Schneeschuhe an, sich wie Skier zu verhalten.
Charles zwang sich, sich nicht zu regen, als der andere Mann seine Gefährtin am Ellbogen packte und sie davor rettete, den Hang hinunterzusausen. Er war beinahe sicher, dass der Mann keine Gefahr für sie darstellte. Es gelang ihm, auch Bruder Wolf zu überzeugen, ruhig zu bleiben und Anna die Chance zu geben, ihre Magie zu wirken und den Abtrünnigen zu zähmen; deshalb hatte sein Vater sie immerhin mitgeschickt.
»Oh, du bist wirklich nicht böse«, sagte Anna.
Der Mann erstarrte, eine Hand immer noch an ihrem Ärmel. Dann flossen die Worte aus ihm heraus, als könne er sie nicht länger aufhalten. »Aber ich kenne mich mit dem Bösen aus. Ich habe an seiner Seite und gegen es gekämpft, bis das Blut wie Regen floss. Ich sehe immer noch ihre Gesichter und höre ihre Schreie, so als würde es gerade jetzt passieren und nicht vor beinahe vierzig Jahren.« Aber seine Stimme wurde bei diesen Sätzen ruhiger.
Er ließ Anna los und fragte: »Wer bist du?« Er fiel neben ihr auf die Knie, als könnten seine Beine ihn nicht länger tragen. »Wer bist du?«
Er bewegte sich jedoch zu schnell, und Bruder Wolf hatte genug. Gedankenschnell und unter vollkommener Missachtung seiner Wunden war Charles neben Anna, und er konnte nur deshalb seine Hände von dem Abtrünnigen fernhalten, weil sich Annas Omega-Wirkung auch auf ihn erstreckte, sobald er näher kam.
»Sie ist eine Wolfszähmerin«, sagte Charles zu dem anderen Mann. Selbst Annas Einfluss konnte den besitzergreifenden Zorn nicht vollkommen aus seiner Stimme tilgen. »Eine Friedensbringerin.«
»Anna Cornick«, sagte Anna. Charles mochte, wie glatt es ihr von der Zunge ging und roch wie Gottes reine Wahrheit. Sie wusste, dass sie ihm gehörte - und so leicht, wie ihre Worte klangen, beruhigte sich auch Bruder Wolf wieder. Also packte er ihre Hand nicht, als sie den Fremden an der Schulter berührte und sagte: »Das da ist Charles, mein Gefährte. Wer bist du?«
»Walter. Walter Rice.« Walter ignorierte Charles, als stellte er überhaupt keine Gefahr dar. Er schloss die Augen und schwankte ein wenig auf den Knien im Schnee. »Ich habe mich nicht mehr so gefühlt seit... seit vor dem
Krieg, glaube ich. Ich könnte schlafen . Ich denke, ich könnte für immer schlafen, ohne je zu träumen.«
Charles streckte die Hand aus. »Warum isst du nicht erst mit uns?«
Walter zögerte und warf Anna einen weiteren langen Blick zu, bevor er Charles’ behandschuhte Hand in seine nahm und aufstand.
Der Mann, der sich ihnen als Walter vorgestellt hatte, aß, als wäre er halb verhungert gewesen - und vielleicht entsprach das ja der
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