Schatten eines Gottes (German Edition)
ohnehin schmale Pfad einfach im Gebüsch. Ihre einzige Orientierung war das Flüsschen Lauter, das sie häufig aus den Augen verloren, aber stets begleitete es sie mit seinem Rauschen.
Sie kamen nicht so schnell voran, wie sie gedacht hatten, und richteten sich darauf ein, die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Im Schutze von Felsen schlugen sie ihr Lager auf. Zum Glück war es trocken und die Luft mild. Emanuel beobachtete amüsiert, wie Octavien seine Satteldecke mit steinerner Miene auf dem Waldboden ausbreitete. Sorgfältig legte er Kappe, Wams und Stiefel auf einen Haufen und deckte sich mit seinem Mantel zu. »Wenn ein Dämon vorbeikommt, weckst du mich«, grinste er, dann war er schon eingeschlafen.
Emanuel starrte in das Dunkel, aus dem unheimliche Geräusche zu ihm drangen. »Ob ich schon wanderte im finstern Tal, so fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir«, betete er hastig, während er so dicht an Octavien heranrückte, wie es die Regel erlaubte, um in dieser Wildnis wenigstens einen Menschen zu spüren. Kurze Zeit darauf umfing auch ihn der Schlaf des Gerechten.
Die Nacht verlief ohne Zwischenfälle. Der Morgen war kühl und dunstig. Octavien erwachte, blinzelte, warf Emanuel einen Blick zu, sah, dass dieser ebenfalls wach war, und sprang geschmeidig auf von seinem harten Lager. Scheinbar gleichmütig schüttelte er Tannennadeln und Ameisen aus der Decke, als habe so ein Nachtlager schon immer zu seinen Gepflogenheiten gehört. Nach einem kurzen Frühstück brachen sie auf.
Sie waren in abschüssiges Gelände geraten, der Pfad wurde zunehmend enger und morastiger, Schilf und Binsen wucherten zu beiden Seiten. Bald waren sie gezwungen, ihre Tiere am Zügel führen. Bei jedem Schritt sanken sie in den sumpfigen Boden ein, der nur hier und da mit einigen Holzbohlen befestigt war. Octavien fluchte leise vor sich hin, wenn seine Stiefel schmatzend im schlammigen Untergrund stecken blieben. Die Luft roch modrig, riesige blaue Libellen und Schwärme von Mücken umschwirrten sie.
Plötzlich lichtete sich der Wald und gab den Blick frei auf den Bach, der an dieser Stelle etwas breiter war und sich durch ebenes Gelände schlängelte. An seinen Ufern verlief ein schmaler Wiesenstreifen. Die Sonne stach soeben durch den Nebel, der noch über dem Wasser lag. Die Wiesen am Ufer glänzten vom Tau. Erleichtert verließen sie das dämmerige Blätterdach und traten hinaus auf die sonnige Lichtung.
Octavien sprang sofort vom Pferd und entledigte sich seiner verschwitzten Sachen sowie seiner Waffen. Emanuel schloss entsetzt die Augen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt einen splitternackten Mann gesehen hatte. Und schon gar keinen, der sich so selbstverständlich vor ihm entblößte. Als er sie wieder öffnete, war Octavien noch näher getreten und warf Emanuel einen forschenden Blick zu. »Ich nehme an, Ihr wollt nicht baden? Dann passt doch bitte auf meine Sachen auf.«
Emanuel wandte sich rasch ab. »Gewiss doch«, murmelte er, »legt Eure Sachen nur dort ins Gras.«
Während Octavien alles sorgfältig auf einen Haufen legte, beobachtete Emanuel aus den Augenwinkeln, wie zwanglos der Templer sich bewegte und seine Nacktheit ganz offensichtlich genoss, während ihm selbst die stinkende Kutte am Leibe klebte. Er hätte für sein Leben gern ebenfalls ein Bad genommen, aber das schickte sich nicht für ihn, jedenfalls nicht nach seinem Erlebnis in St. Stephan. Dort hatte ihn Octavien mit hochgezogener Tunika erwischt, und das würde Emanuel sein Leben lang nicht vergessen.
»Leiht Ihr mir dann bitte Euer Schweißtuch, Octavien?«
»Bitte, mein was?«
»Nun, dieses Tüchlein, das Ihr immer bei Euch tragt, falls etwas Schmutz Euch anwehen sollte.«
Octavien verzog das Gesicht. »Wenn es sein muss. Aber gebt es mir nicht zurück.«
Er reichte Emanuel ein weiches Tuch. Dann sprang er in den Fluss und tauchte sogleich unter. Emanuel sah ihm nach, wie er mit kraftvollen und eleganten Bewegungen das Wasser teilte.
Ein schöner Mann,
dachte er und bekreuzigte sich sogleich, denn solche Gedanken gab einem der Teufel ein. Er schwenkte das Tuch kurz durch das Wasser und wischte sich gründlich den Schweiß von Gesicht und Nacken. Dann verstaute er es in seinem Habit. Als er sich aufrichtete, stellte er zu seiner Bestürzung ein Ziehen in den Lenden fest. Es überfiel ihn von Zeit zu Zeit, und es schmerzte, weil Satan darin Nägel einklopfte. Emanuel wusste, es würde eine Weile dauern, bis es
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