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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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sich legte, und wenn Octavien nackt aus dem Wasser stieg, würde es schlimmer werden. Der Gedanke daran erfüllte ihn mit Grausen. So schnell er konnte, raffte er seine Kutte bis zu den Knöcheln und watete hinein in den Bach, bis er bis zum Gürtel nass war. Natürlich tönte sogleich Octaviens Spott herüber: »Mönchlein, Eure Kutte hatte es wahrlich nötig.«
    Emanuel sagte nichts. Etwas später saßen sie beisammen und nahmen eine kurze Mahlzeit zu sich. Octavien benagte herzhaft eine Hähnchenkeule, während er Emanuel beobachtete, der mit Brot, Käse und Lauch zufrieden war. Dessen verschlossene Miene war nicht dazu angetan, die Sache mit dem Bad weiter zu vertiefen. »Ihr habt mir nie etwas über Eure Kindheit erzählt, wie Ihr aufgewachsen seid und wer Eure Eltern sind«, wich Octavien auf ein anderes Thema aus.
    Emanuel sah ihn über ein Käsestück hinweg misstrauisch an. »Wie kommt Ihr denn jetzt darauf? Ihr wisst doch, dass ich ein Findelkind bin. Ein Mönch fand mich im Wald und brachte mich nach Altenberg. Da war ich ein Jahr alt.«
    »Und seitdem seid Ihr dort geblieben?«
    »Ja, ich bin dort aufgewachsen. Der damalige Abt erkannte meine Fähigkeiten und ließ mich mit den anderen Zöglingen unterrichten. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.«
    »Ihr habt das Kloster also niemals verlassen, bevor Ihr nach Köln geschickt wurdet?«
    Emanuel gab ein ungeduldiges Schnauben von sich. »Das sagte ich schon. Weshalb wollt Ihr das wissen?«
    »Habt Ihr Euch denn niemals gefragt, wer Eure Eltern sind? Habt Ihr niemals Nachforschungen angestellt, weshalb Ihr im Wald gefunden wurdet?«
    »Gedanken habe ich mir schon gemacht, und die Mönche haben sich auch in der näheren Umgebung umgehört, aber vergeblich. Es wurden Wagenspuren in der Nähe entdeckt, man vermutete, ich sei bei einem Unwetter aus dem Wagen gefallen. Aber wem dieser Wagen gehört hat, konnte niemals geklärt werden. Er befuhr einen Schleichweg, denn der Pfad war für Fahrzeuge nicht geeignet. Man nahm also an, dass er belebte Orte meiden wollte. Natürlich wurden Vermutungen angestellt. Für am wahrscheinlichsten hielt man eine Gauklertruppe, die eine Abkürzung zur Hauptstraße nach Aachen oder Köln gesucht hatte.«
    »Weshalb gerade eine Gauklertruppe?«
    »Weil …« Emanuel zögerte kurz. »Weil ich fremdländisch aussehe. Man vermutete, es sei eine Welsche dabei gewesen.«
    »Oder eine Sarazenin?«
    Emanuel starrte Octavien böse an. »Wie kommt Ihr …« Er unterbrach sich und steckte sich ein Stück Brot in den Mund. »Ja«, murmelte er. »Es gab jemanden, der hielt mich für ein Sarazenenbalg, und wahrscheinlich bin ich das auch. Deshalb habe ich auch später niemals nachgeforscht. Was hätte es mir gebracht zu erfahren, dass meine Mutter eine Sarazenenhure ist, die mit fahrendem Volk unterwegs war.«
    »Belastet Euch das? Ich meine, dass Ihr von unseren Feinden abstammt?«
    »Nein«, erwiderte Emanuel brüsk. »Als Mönch habe ich keine Vergangenheit mehr.«
    Octavien nickte und schwieg. Bald darauf brachen sie auf. Sie hofften, ihr Ziel noch vor dem Dunkelwerden zu erreichen.
    ***
    Sie erblickten die Burg auf einem steil abfallenden Felsen inmitten eines engen, lang gestreckten Tales. Oder das, was von ihr übrig geblieben war. Hoch ragte der Bergfried empor, eine zinnenbewehrte Mauer wurde hier und da zwischen dem Astwerk der Bäume sichtbar. Der Hang war voller Geröll und herabgefallener Mauersteine. Ein holperiger Weg wand sich in Serpentinen aufwärts. Verstecke für Gesindel zuhauf. Doch das Tal schien menschenleer. Das war verwunderlich, denn die Lauter, die hindurch floss, war fischreich, die bewaldeten Hügel wimmelten von Wild, und das enge Tal wäre leicht zu verteidigen. Im Schatten der Burg fanden Emanuel und Octavien Reste von Lehmhäusern und Holzhütten, die aufgegeben worden waren. Dennoch durchsuchten sie diese nach unwillkommenen Überraschungen. Sie fanden keine.
    Ihre Tiere am Zügel führend, machten sie sich an den Aufstieg zur Burg. Die von unten so wehrhaft erscheinende Mauer war teilweise zerfallen. Dort, wo sich das Burgtor befunden hatte, klaffte ein großes Loch. Sie konnten in den von Unkraut überwucherten Burghof blicken. Kleine Tiere, aus ihrer Ruhe aufgescheucht, huschten vor ihnen davon. Raben verließen ihren Ausguck auf dem Turm und beschwerten sich laut krächzend über die Eindringlinge. In der Mitte des Hofes befand sich ein Brunnen mit einer verrosteten Kette. Hier hatte schon lange niemand

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