Schatten eines Gottes (German Edition)
Christi auf Erden‹.«
Das wütende Schweigen war mit Händen zu greifen. Del Monte nickte seinem Nachbarn zu. »Fahre nun fort, Bruder.«
»Ich bin Kardinal Giovanni Colonna. Ich klage Innozenz an des tausendfachen Mordes an den Katharern und Albigensern. Er verfolgte die Strategie Ausrottung statt Bekehrung. Er war jederzeit informiert über die Gräueltaten, die an den Menschen vollbracht wurden. Er ließ den Weizen mit der Spreu verbrennen, denn unter den Opfern befanden sich auch viele gläubige Katholiken. Gott wird die Seinen erkennen, bemerkte sein schrecklicher Scherge de Montfort. Ich will auch nicht versäumen zu erwähnen, dass schon der Minnesänger Walther von der Vogelweide die Wahl Innozenz des Dritten beklagt hatte. Innozenz – der Unschuldige! Hat es jemals eine dreistere Namensgebung gegeben?«
»Ich gebe zu«, erwiderte de Chartres, »das sind todeswürdige Verbrechen, und nicht nur mir ist es unerträglich, unter der Herrschaft eines solchen Mannes atmen zu müssen. Ich gebe jedoch zu bedenken, dass ein Attentat nur schwer durchzuführen ist, dass es unerquickliche Nachforschungen und Unruhen mit sich bringen wird. Deshalb wäre ich auch für weitere Vorschläge dankbar, wie wir uns dieses Mannes und mit ihm dieser unheiligen Kirche am besten entledigen können.«
Es stellte sich heraus, dass die meisten trotz der Einwände des Großmeisters, vielleicht auch nur in Ermangelung einer besseren Lösung, für das Attentat waren. Es bestand nur noch keine Einigkeit darüber, wie es am besten zu bewerkstelligen war.
Das war Nathaniels Stunde.
Er bat um das Wort, dann trat er an das Rednerpult. »Auch ich sähe Innozenz lieber heute als morgen tot, doch ich schließe mich de Chartres an. So ein Unternehmen birgt große Risiken. Ich bin deshalb sehr erfreut, dass der Zufall oder …« Er lächelte verschmitzt: »… Gottes Fügung uns ein Werkzeug in die Hände gegeben hat, das uns all dieser Sorgen enthebt. Ich bitte euch alle um Nachsicht, dass ein glücklicher alter Mann mit dieser Überraschung so lange gewartet hat.«
Während sich ein gespanntes Raunen erhob, trat ein Diener mit einem Gefäß herein, das er auf das Pult stellte. Es war ein Reliquienbehälter. Bei seinem Anblick verstummte das erwartungsvolle Raunen, und eine gewisse Enttäuschung schien sich bei den Anwesenden auszubreiten. Eine Reliquie! Waren sie nicht alle Männer, die über solchem Aberglauben standen?
Nathaniel legte seine Hand auf den Kasten. »Hierin befindet sich etwas, das wird den Papst nicht töten, aber es wird ihn zu Wachs in unseren Händen machen, was für unsere Absichten weitaus wertvoller sein dürfte. Dieses Objekt wird die Kirche aus den Angeln heben. Gleichzeitig wird der Größenwahnsinnige tief gedemütigt. Somit hätten wir mehr erreicht, als wir hoffen konnten.«
»Innozenz und Wachs in unseren Händen? Lächerlich!«
»Das glaube ich niemals!«
»Innozenz? Der ist härter als Granit.«
»Was soll das für ein Zauberding sein?«
»Wo habt Ihr es her?«
»Wird doch wohl nicht die Bundeslade sein?«
Nathaniel ließ diese Zwischenrufe eine Weile zu, geduldig lächelnd, ihre Zweifel genießend. Dann hob er die Hände. »Genug, meine Freunde! Ich gebe zu, es ist nicht leicht, das zu glauben. Eure Zweifel sind berechtigt und auch eure Neugier.«
Nathaniel nickte zufrieden. Er bat um Ruhe, denn es hatte sich ein reger Meinungsaustausch entwickelt. »In diesem Behälter, dessen Deckel aus Glas ist, befindet sich ein Pergament, besser gesagt, ein Palimpsest. Ein neuer Text wurde zur Tarnung über einen alten geschrieben. Der neue Text ist aus mehreren Stellen der Apokalypse zusammengesetzt und schmäht Papst Innozenz. Der alte Text darunter stammt aus der Zeit und dem Umfeld Jesu und ist auf Aramäisch verfasst. Mehr möchte ich zu dem Inhalt noch nicht sagen, aber ihr werdet mehr als überrascht sein.
Nachdem jeder einen Blick auf das Pergament werfen konnte, werde ich die Tinte vorsichtig ablösen und die alten Buchstaben mit Gallapfeltinktur wieder sichtbar machen. Da das Aramäische etlichen unter euch Probleme bereiten könnte, wurde eine Übersetzung angefertigt, die ich bei mir habe.
Was euch jetzt alle in erster Linie beschäftigt, lese ich in euren Gesichtern. Ist das Pergament echt? Und tatsächlich ist es von allergrößter Bedeutung, hier alle Zweifel auszuräumen, soweit das menschenmöglich ist. Selbstverständlich steht das Pergament hernach auch dem Großmeister und anderen
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