Schatten eines Gottes (German Edition)
Saint-Amand! Na endlich lasst Ihr Euch blicken.«
Octavien grinste. Wie er das vermisst hatte. »Sind wir denn nicht mehr per Du, Jungfer Agnes?« Er verschränkte ebenfalls die Arme und spielte mit.
»Vielleicht früher mal. Mit solchen wie Euch verkehre ich nicht auf vertraulichem Fuße.«
»Weil ich ein Ungeheuer bin, stimmt’s?«
»Schlimmer. Ein feiger, treuloser, ehrloser …«
»… und doch ganz liebenswerter, bezaubernder und bewundernswerter Mann«, unterbrach Octavien sie, während er sich zu ihr setzte. »Weshalb solltest du sonst so erleichtert sein, mich zu sehen?«
»Nur, um Euch das zu sagen und Euch Euren verdammten Dareikos vor die Füße zu werfen.«
Octavien schaute angestrengt auf dem Boden umher. »Ach ja? Wo ist er denn?«
Agnes musste lachen. Octavien zog sie an sich und küsste sie zart auf die Lippen. Agnes entwand sich schnell seinen Armen und strich züchtig ihren Rock glatt. »Was soll man denn von mir denken? Hier mitten auf dem Markt?«
»Hinter einem Altar fandest du nichts dabei.«
Agnes kicherte. »Ich bin deinem Mönch begegnet in irgend so einer Kirche. Er bekam fast einen Herzschlag, als er mich sah. Dieser Heuchler. Ich verwette mein ganzes Geld, dass ich ihn wieder genauso verführen könnte.«
»Was ich nicht erlauben werde«, drohte Octavien scherzhaft.
»Du hast mich verlassen«, erinnerte Agnes ihn. »Deshalb kannst du mir nichts verbieten.«
»Aber ich habe dich wieder eingefangen. Ab jetzt bin ich dein Herr und Gebieter.«
Agnes funkelte ihn an. »Wenn du dir die Rechte eines Ehemannes herausnehmen willst, dann gibt es in Rom genug Kirchen und Priester, die uns trauen können.«
»Nun ja …«
»Und vor der Hochzeitsnacht gibt es nicht einmal einen Kuss.«
»Nur auf die Wange.«
»Du bist ein Lügner, Octavien! Du willst doch Tempelritter werden, aber die müssen keusch wie Mönche leben.«
Octavien grinste. »Das hatte ich vor, aber ich habe mich anders entschieden.«
»Meinetwegen?«
»Nein. Die Tempelritter sind mir einfach zu dreckig. Sie baden nur einmal im Jahr.«
Agnes grinste. »Dann gehen wir beide jetzt nach Aachen?«
»Nach Aachen?«
»Natürlich. Auf dein Gut.«
Octavien lächelte verkniffen. Er versuchte, das Spiel mitzuspielen, doch die Gründe, die dagegen sprachen, waren noch nicht ausgeräumt. »Auf das Gut meiner Mutter. Ja gewiss, das werden wir tun.«
Agnes nickte. »Gut. Dann will ich gleich meine Sachen packen. Ich wohne in der Nähe der Caracalla-Thermen.«
»Wohnst du da allein?«
»Nö. Mit meinem Bruder.«
»Was? Du hast einen Bruder? Hier in Rom?«
»Ich habe ihn – sagen wir – adoptiert.«
»Was soll ich denn davon halten?«
»Mein Gott, Octavien, das ist doch nicht so schwer zu begreifen. Ich brauchte hier in Rom natürlich männliche Unterstützung, und du warst nicht da. Ulrich ist ein sehr netter und hilfsbereiter Mann. Natürlich ist er in mich verliebt, aber wir leben wie Bruder und Schwester zusammen. Darauf hat er sich eingelassen.«
Octavien schaute finster drein. »Und das soll ich glauben?«
»Ach, glaub doch, was du willst. Es ist die Wahrheit. Und wenn du dem armen Mann auch nur ein schlechtes Wort sagst, dann sind wir geschiedene Leute.«
***
Innozenz lag in seiner Privatkapelle auf den Knien und dankte Gott, dass er den bitteren Kelch an der Kirche hatte vorübergehen lassen.
Außerdem hatte ein Franziskaner um Audienz gebeten. Angeblich könne er das Original von Bruder Bernardo beschaffen. Nun war Innozenz ziemlich sicher, dass es ohnehin eine Fälschung war, dennoch war er an dem Original interessiert, denn wenn es eine gute Fälschung war, durfte auch diese nicht in falsche Hände geraten. Sie musste vernichtet werden. Doch am allerwichtigsten war es zu wissen, wer hinter dieser Fälschung stand und wer diesen armen Trottel von Mönch benutzt hatte, sie zu verbreiten.
Er war festgenommen worden, worauf er mit Hallelujarufen geantwortet und die Menge Steine auf die päpstlichen Büttel geworfen hatte. Innozenz hatte dem Betrüger nicht die Ehre antun wollen, ihm von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, aber er hatte ihn, verborgen hinter einem Vorhang, gesehen, und ein Kribbeln im Nacken verspürt, als hangele sich eine kleine Spinne dort herunter. Diese Spinne hieß Furcht. Und da er wusste, dass der Mann ein Blender war, konnte es sich nur um eine abergläubische Furcht handeln, die keine wirkliche Grundlage hatte.
Vor dem Lateranpalast hatten sich immer mehr Menschen versammelt,
Weitere Kostenlose Bücher