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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Haarsträhne um die Finger. »Wenn wir Mann und Frau werden, musst du etwas von mir wissen. Du darfst nicht denken, ich sei ein Kind aus der Gosse.«
    »Das denke ich nicht.«
    »Aber du glaubst, ich sei eine Hergelaufene. Dabei weißt du gar nichts über mich.«
    »Irgendeine Vergangenheit wirst du schon haben.«
    »Ich möchte darüber reden. Zwischen uns sollten keine Lügen stehen.«
    Octavien drehte den Kopf. »Lügen?«
    »Ich meine Dinge, die verschwiegen wurden. Die sind doch wie Lügen oder nicht?«
    »Irgendwie schon«, brummte Octavien. »Also, wenn es dich erleichtert …«
    Agnes zog nervös an ihrem Haar. »Du wirst ziemlich überrascht sein.«
    »Glaube mir, Agnes, bei dir überrascht mich gar nichts.«
    »Wie war das denn jetzt gemeint?«
    »Freundlich, Agnes, freundlich. Komm doch bitte zur Sache.«
    »Naja, das ist jetzt der springende Punkt. Ich habe nämlich – also unser Landvogt hatte einen Sohn, der war mein Halbbruder, aber ich habe es nicht gewusst. Und er auch nicht. Er machte mir den Hof, und ich war ziemlich geschmeichelt. Und dann ist es passiert.« Sie zuckte die Achseln. »Ich sage es nicht gern, aber er hat mich mit Gewalt genommen, dieses Dreckschwein!«
    Octavien zuckte betroffen zusammen, doch nicht aus Mitgefühl, sondern bei der Vorstellung, sich mit einer geschändeten Frau abgegeben zu haben. Solche Frauen, ob schuldig oder nicht, waren in gewisser Weise beschmutzt.
    Da er schwieg, fuhr sie fort: »Er hat dann bekommen, was er verdiente.«
    Octavien schluckte. »Was er verdiente?«
    Agnes sah ihn trotzig an. »Ich habe ihm die Kehle durchgeschnitten.«
    Unwillkürlich fuhr sich Octavien an den Hals. »Du hast den Sohn eines Landvogts getötet?«, stieß er entsetzt hervor.
    »Hätte ich diesen Widerling etwa davonkommen lassen sollen?« Sie stützte sich auf die Ellenbogen und sah Octavien ins Gesicht. »Antworte! Hätte ich das?«
    Octavien musste seine Worte jetzt behutsam wählen. Zwar fand er es nicht gerade vorbildlich, jedem Weiberrock nachzustellen, aber bei den Oberschichten war es nun einmal gang und gäbe. Ein gescheites Mädchen hielt den Mund und hoffte darauf, mit etwas Schmuck oder Geld entschädigt zu werden. »Nun – du hast zumindest sehr unklug gehandelt. Für den Mord an einem Landvogt wirst du gehenkt, und es wundert mich …«
    »Mord?«, kreischte sie und hieb mit der Faust auf das Kissen. »Hast du nicht zugehört? Das Untier hat mich geschändet. Das war kein Mord, das war Notwehr.«
    Maria und Josef! In dieser Situation wehrt man sich nicht,
dachte Octavien und wusste nicht, wie er ihr das klarmachen sollte. »Du kannst an den gesellschaftlichen Regeln nun einmal nichts ändern.«
    »Regeln? Was für Regeln?« Ihre Stimme überschlug sich, und Octavien wusste, er konnte nur das Falsche sagen. »Sagt das Gesetz, eine Frau darf straflos missbraucht werden, wenn der Vergewaltiger von Stand ist?«
    Octavien fluchte innerlich. Weshalb hatte er das alles erfahren müssen? Wie sollte er Agnes erklären, dass es ungeschriebene Gesetze gab? Dass ein Grundherr gewisse Rechte besaß, und wenn er diese ungebührlich ausnutzte, sich kein Gericht der Welt darum scheren würde. Ob er selbst das guthieß oder nicht, änderte nichts daran.
    »Wie ist es dir gelungen zu entkommen?«, fragte er, um abzulenken.
    »Du meinst, Kuno von Eibenau hatte das Recht, mich zu schänden?«, zischte sie, weil sie seine Taktik durchschaute.
    Wahrscheinlich würde Agnes gleich um sich schlagen. Octavien setzte sich auf und rutschte an den Rand des Bettes. »Das sage ich nicht, es ist nur so, dass er mehr Macht hat, und dass niemand ihn deshalb angeklagt hätte.«
    »Ich weiß. Deshalb habe ich die Sache ja selbst in die Hand genommen. Oder darf ich meine Ehre nicht verteidigen?«
    Über solche Fragen hatte Octavien nie nachgedacht. Die Welt war so, wie sie war. Ein Mann besaß eine andere Art von Ehre, je nach seinem Stand, eine Frau – ach, es war viel zu kompliziert, um es Agnes zu erklären. Sie war einfach nicht gewillt, sich diesen Dingen, die jedes Bauernmädchen wusste, unterzuordnen. Sie war zu hitzig, zu unbedacht, zu stolz.
    »Du schweigst? Seit jenem Vorfall hatte ich mir vorgenommen, mit Männern nur noch zu spielen. Sie nehmen sich jede, und ich nehme mir jeden, das ist doch nur gerecht, oder?«
    »Aber du wirst verlieren, Agnes. Für Frauen wie dich ist diese Welt nicht geschaffen.«
    »Liebst du mich?«
    »Ja. Aber wenn du nur mit mir spielst …«
    »Nein. Mit

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