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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Holzlöffel suchen. Ein paar Rüben und einige holzige Kohlstrünke, die der Suppe den Geschmack gaben, fischte er nach längerem Rühren heraus. Er schloss die Augen und schluckte sie hinunter. Großer Gott, wie groß musste sein Hunger sein. Er wunderte sich, dass er sich nicht sogleich erbrach.
    Sobald er die Schüssel geleert hatte, erschien Bruder Bernardo und räumte sie ab. »Hat es dir geschmeckt, Bruder? Es ist unsere Armenspeise, die wir selbstverständlich auch selber essen.«
    Emanuel brachte nur ein Nicken zustande. Mönche sollten nur das Nötigste miteinander reden, und das empfand er momentan als wohltuend. Als ihm seine Kammer gezeigt wurde, stellte er außerdem zu seiner Erleichterung fest, dass er nicht zwischen den Teppichen nächtigen musste. Trotz der lichtlosen Enge war er froh, sich ausruhen zu können. Eine Kerze hielt Bruder Bernardo an diesem Abend nicht für nötig, denn Emanuel wolle doch sicher nicht mehr die Schrift studieren, und ins Bett fände er in der winzigen Kammer auch im Dunkeln.
    ***
    Für Emanuel begann eine schwere Zeit, die er zähneknirschend als Prüfung hinnahm. Wenn er auch nicht wie die übrigen Brüder zum Predigen und Betteln auf die Straße gehen musste, schließlich war er nur hier, um sie in Kirchendingen und Ordensregeln zu unterweisen, so war er doch den kargen Lebensbedingungen bei ihnen unterworfen. Die Fratres hielten sämtliche Bedürfnisse des Leibes für Luxus, was dazu führte, dass sie ungekämmt waren, ihre Kutten nicht wuschen und mit der Zeit rochen wie getrockneter Stallmist. Jeden Morgen und jeden Abend kochten sie in einem großen Kessel die Armenspeise, jene dünne Suppe, deren Zutaten sie erbettelt hatten, und die Emanuel bereits kennengelernt hatte. Sie teilten diese an die Bedürftigen aus, die an ihre Tür klopften. Emanuel ekelte sich vor dem ausgehungerten, bresthaften Lumpengesindel, doch am ärgsten war, dass er die Armensuppe selbst löffeln musste, mal mit weißen, mal mit Gelben Rüben, an Festtagen wurde auch ein bisschen Schmalz dazu getan. Oftmals seufzte er: »Herr, was für eine schwere Last hast du mir aufgebürdet.«
    Im Gegensatz zu den übrigen Mönchen war Bruder Bernardo gebildet, konnte lesen und schreiben und hielt sich reinlich, soweit das unter diesen Umständen möglich war. Er stammte aus dem italienischen Kleinadel und hatte sich seinem großen Vorbild Francesco angeschlossen. Als dieser ihn nach Köln gesandt hatte, um dort eine weitere Zelle zu gründen, war er mit vier Brüdern losgezogen, drei weitere waren in Köln dazu gekommen.
    Eine der Aufgaben der Kölner Zelle bestand darin, für einen neuen Kreuzzug zu werben, denn ein fünfter Kreuzzug war das Lieblingskind von Papst Innozenz III.
Vielleicht,
so überlegte Emanuel,
übten die Franziskaner vorauseilenden Gehorsam, um für ihren jungen Orden Meriten bei seiner Heiligkeit zu sammeln
. Denn bisher hatte die Kirche das Predigen extremer Armut und Askese für ketzerisch gehalten.
    Jedoch die Zeiten, in denen Kreuzzugaufrufe auf fruchtbaren Boden fielen, waren vorüber und somit die Erfolge kaum sichtbar. Wanderprediger, die zu einem weiteren Kreuzzug aufriefen, standen an jeder Ecke.
Was nützen die aufgesperrten Augen, Münder und Ohren,
dachte Emanuel,
wenn doch nur neuer Wein in alten Schläuchen ausgeschenkt wird?
    Die Zusammenarbeit mit Bernardo gestaltete sich angenehm. Auf seinen Rat hatte Emanuel seinen weißen Zisterzienserhabit mit schwarzem Skapulier gegen die braune Kutte der Franziskaner eingetauscht. Indem er sich voller Demut äußerlich zu ihresgleichen machte, nahmen die Brüder seine Belehrungen besser an, und der Straßenschmutz fiel auf dem braunen Stoff auch nicht sofort auf.
    Bruder Bernardo sah nicht nur aus wie Jesus. Oftmals schien er sich selbst für den Auferstandenen zu halten, wenn er in Gestik und Worten den Heiland nachahmte auf eine Weise, wie er ihn verstand. Emanuel hatte das anfangs für Gotteslästerung gehalten, doch bald erkannte er die Einzigartigkeit des Bruders. Ein Mann, der wie Jesus Christus aussah, der zudem Sanftmut und Güte ausstrahlte wie der Sohn Gottes, der war ein Leckerbissen, den man nicht am Armentisch servierte. So ein Mann konnte der Kirche auch anderweitig sehr nützlich sein und somit auch Emanuels Plänen, er hatte nur noch nicht die Eingebung für seine rechte Verwendung.
    ***
    In einer kleinen Seitenkapelle von St. Peter, die nur von einigen Talglichtern erhellt wurde, kniete ein etwa elfjähriger

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