Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
die Untätigkeit nicht ertragen können – vor allem aber nicht ertragen, dass Hunyadi allein die Ehre des Erfolges hätte ernten sollen. Man sagt, seine polnischen Ritter hätten ihm in den Ohren gelegen, sie doch in den Kampf zu führen und den Sieg entscheiden zu lassen, ehe ihnen die Ungarn zuvorkämen. Man sagt …
Ich aber kann mich folgenden Gedankens nicht erwehren: Wenn sich ein Mann an der Spitze von 500 Reitern in eine Schar von fünftausend kampferprobten Kriegern hineinstürzt wie ein Rasender, sucht er den Tod! Nicht wissentlich. Nicht mit Überlegung. Aber von einer blinden Gewalt in seinem Inneren getrieben. Ich bin überzeugt davon, dass nicht der Janitschare unserm König das Leben genommen hat, der ihm das Haupt vom Rumpfe schlug, sondern der gebrochene Eid: Sein stolzes, todesmutiges Herz zwang ihn, sich die verlorene Ehre im Tod zurückzugewinnen.
Wer aber den Hunyadi János beschuldigt, seinen König im Stiche gelassen oder gar verraten zu haben, ist ein gemeiner Lügner. Denn kaum wurde der Feldherr gewahr, das Wladislaw seinen Anordnungen zum Trotz die Phalanx der Janitscharen angriff, da ließ er ab von der Verfolgung der Spahis und eilte mit seinen Reitern dem König zu Hilfe. Zu spät. Die Türken hatten schon das Haupt des Jünglings auf ihre Lanze gespießt und die Polen und Ungarn, dieses sehend, sich zur Flucht gewandt. Vergeblich rief Hunyadi: »Wir kämpfen nicht für den König, sondern für unsern Glauben!«, es gelang ihm nicht mehr, die Reiter zum Stehen zu bringen, um wenigstens noch den Rumpf des königlichen Körpers herauszuhauen – er musste sich der Flucht seiner Truppen anschließen, wenn er sein Leben nicht sinnlos aufs Spiel setzen wollte. Und welche Veranlassung hätte er dazu gehabt?
Einige der Unsern sprengten zur Wagenburg vor und riefen: »Der König ist tot! Alles ist verloren! Rette sich, wer kann!«
Ich hätte es können. Hätte mich aufs nächste beste Pferd schwingen und davonstürzen können, und die einbrechende Dunkelheit hätte meine Flucht gedeckt – sie ist vielen gelungen. Doch tat ich etwas anderes. In der Nacht suchte ich unter den Toten einen Türken, zog ihm das Kleid aus und mir an, und als Murads Krieger am nächsten Morgen, ohne Widerstand zu finden, in die Wagenburg eindrangen, rief ich ihnen zu: »Die Ungläubigen haben eine Menge Verbandszeug zurückgelassen. Bringt die Verwundeten her! Ich verstehe mich aufs Verbinden.« Niemand schöpfte bei meinem tschagataisch gefärbten Türkisch den geringsten Verdacht, und so geriet ich auch nicht, wie Jahrzehnte vordem mein Vater, in die Gefangenschaft der Moslems, sondern war eben einfach wieder einer der Ihren.
Man könnte sagen, ich tat das, um den vielen verwundeten Christen, die in der Wagenburg zurückgeblieben waren, zu helfen, und sicherlich habe ich manchem von ihnen das Leben gerettet, denn Murad ließ sie nicht über die Klinge springen, wie es seinerzeit Bajazid getan hatte, sondern in die Gefangenschaft abführen. Aber ich hätte mich doch eines Tages wieder davonstehlen, mich meiner Verkleidung entledigen und zu den Meinen durchschlagen können – warum tat ich es nicht?
Hielten mich die Gerüchte davon ab, die ich anfangs kaum glauben konnte, bis sie sich so sehr verdichteten, dass es mir schließlich nicht mehr gelang, an ihrer Wahrheit zu zweifeln?
Wie war Murad über das Meer gekommen?
Nun, die Kapitäne von Kauffahrteischiffen hatten sich bestechen lassen! Ob es Griechen, Venezianer oder Genuesen waren, wird man niemals mit Sicherheit feststellen können, denn sie beschuldigten sich gegenseitig dieser Tat. Unbestritten aber ist, dass es Christen waren, die ihren Glaubensgenossen in den Rücken fielen. Wahrscheinlich haben die Genuesen auf diese Art sich Vorteile und Vergünstigungen eingehandelt und damit den Venezianern, ihren Konkurrenten und Erbfeinden, den Rang abgelaufen.
Wie aber hatte Murad überhaupt so schnell von dem Friedensbruch der Christen Kunde erhalten?
Nun, sein lieber Schwiegervater, der alte Fuchs Georg Brankowitsch, hatte ihn schleunigst davon verständigt.
Und warum war Skanderbeg, der doch dem ungarischen König seine Unterstützung so fest versprochen hatte, uns denn nicht zu Hilfe geeilt? Wenn er mit seinen wilden albanischen Reitern den Sultan im Rücken angegriffen hätte, wäre der doch wohl kaum mit heiler Haut davongekommen.
Nun, derselbe Georg Brankowitsch, Despot von Serbien, hatte ihm den Durchzug durch sein Land verwehrt, indem er die
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